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Nach dem Amoklauf: Welche Informationen fehlen noch?

Fünf Tage nach dem Drama von Winnenden ist das Motiv des Amokläufers weiter unbekannt. Welche Informationen fehlen?

Die Ermittler haben dazugelernt. Fünf Tage nach dem Amoklauf eines 17-Jährigen in Baden-Württemberg sind sie nun schweigsam geworden. Zu oft mussten Polizei, Staatsanwaltschaft und Politik schon angeblich gesicherte und bereits öffentlich gemachte Ermittlungsergebnisse wieder in Frage stellen. Über das tatsächliche Tatmotiv herrscht genauso Unklarheit wie über den Grad der psychischen Erkrankung von Tim K., das angebliche Video über seine letzten Sekunden sowie über die Daten, die sich auf seinem Computer befunden haben. Auch die Ergebnisse der Obduktion des Täters, die nach offiziellen Angaben bereits am Donnerstag vorgenommen worden ist, wurden bisher nicht öffentlich gemacht. Nachdem am Freitagabend anders als angekündigt kein neuer Ermittlungsstand bekannt gegeben wurde, will die Polizei nun ihre Ergebnisse an diesem Montag präsentieren – voraussichtlich. Der 17 Jahre alte Tim K. hatte bei dem Amoklauf am Mittwoch in Winnenden und Wendlingen 15 Menschen erschossen, bevor er sich offenbar selbst richtete.

Wo waren die Ermittler vorschnell?

Ein Teil der Fakten, die Landesinnenminister Heribert Rech (CDU) sowie die Vertreter von Staatsanwaltschaft und Polizei bei ihrer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag präsentierten, hat sich inzwischen als voreilig oder sogar als falsch herausgestellt. Das betrifft vor allem die angebliche Ankündigung des Amoklaufs im Internet am Vorabend der Tat. Die Betreiber der betroffenen Internetseite kritisieren die Polizei inzwischen offen. „Warum man erst umständlich um ein Hilfegesuch in den USA nach den Daten des Betreibers bat, ist uns unverständlich, eine einfache Mail an uns hätte genügt“, teilte ein Moderator des Forums krautchan.net am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur dpa mit. So seien die Ermittlungen verzögert worden. „Ich sehe durchaus einen sehr großen Mangel an Kompetenz.“ Zudem habe sich bei der Polizei zunächst niemand zuständig für die Hinweise der Seitenbetreiber gefühlt, dass die Ankündigung des Amoklaufs eine Fälschung sei. Wahrscheinlich ist, dass auf krautchan.net in der Nacht vor der Tat gegen 2.45 Uhr eine harmlose Diskussion begonnen hatte. Diese könnte der oder die bislang noch unbekannten Fälscher dann nach dem Amoklauf digital abfotografiert, die Wörter durch die angebliche Amokdrohung ersetzt und in Umlauf gebracht haben.

War die Polizei überfordert?

Die Äußerungen der Krautchan-Betreiber sind zumindest mit Vorsicht zu genießen. Als Sinn und Zweck der Seite bezeichnen Experten Manipulationen und Fälschungen, die Grenzen des guten Geschmackes würden bewusst und lustvoll übertreten, heißt es. Auf der anderen Seite räumte am Wochenende auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Mängel bei Ermittlungen im Internet ein. Gleichzeitig rief der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen um Hilfe: „Von 260 000 Polizisten in Deutschland ist nur ein Prozent für die Herausforderungen durch das Internet gewappnet.“ Angesichts von 42 Millionen Internetnutzern in Deutschland sei das zu wenig. Bei einer anderen Panne hilft dieses Argument indes wenig: Die Aussage der Ermittler vom Donnerstag, dass der Computer von Tim K. bereits untersucht worden sei, erwies sich im Nachhinein ebenfalls als vorschnell. Hier wurde schlicht falsch kommuniziert. Nun geht die Verschwiegenheit so weit, dass die Ermittler am Sonntag weder die „Spiegel“-Meldung, der 17-Jährige habe in der Nacht vor seinem Amoklauf um 21.40 Uhr den PC ausgeschaltet, noch dass er zuvor zwei Stunden lang das sogenannte Killerspiel „Far Cry 2“ gespielt habe, bestätigten.

Was ist „Far Cry 2“ für ein Spiel?

In der öffentlichen Diskussion war „Far Cry 2“ bisher deutlich weniger präsent als etwa das Spiel „Counter-Strike“, das einen strategischen Stellungskampf zwischen Terroristen und einer Anti-Terror- Einheit simuliert. „Counter-Strike“ wird meist online und im Mehrspieler-Modus gespielt – bis zu 64 Spieler können teilnehmen. Der im Oktober 2008 erschienene Ego-Shooter „Far Cry 2“ verfügt ebenfalls über einen Mehrspieler-Onlinemodus, ist aber vor allem für seine umfangreiche Einzelspieler-Handlung bekannt. Ziel ist es, in einem fiktiven afrikanischen Land einen berüchtigten Waffenhändler zu töten und so den Bürgerkrieg zu stoppen.

Computerspiel-Magazine loben an „Far Cry 2“ die dichte Atmosphäre, die durch eine fast fotorealistische Darstellung afrikanischer Steppen- und Savannengebiete erzeugt wird. Mit Jeeps, Schlauchbooten und anderen Fahrzeugen kann der Spieler ein 50 Quadratkilometer großes Gebiet erkunden. Im Kampf stehen ihm mehr als 30 verschiedene Waffen zur Verfügung, die Gegner lassen sich aber auch durch das gezielte Legen eines Buschbrandes ausschalten. Allerdings sind auch die Gewaltdarstellungen in „Far Cry 2“ sehr realistisch. In Deutschland erschien das Spiel ungeschnitten und ohne Jugendfreigabe – der minderjährige Tim K. hätte es also gar nicht besitzen dürfen. mit dpa

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