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Nach Winnenden: Trittbrettfahrer spielen Macht

Warum tut das einer? Will er die berühmte warholsche Viertelstunde Ruhm kosten? Helmut Schümann über Amok-Drohungen nach Winnenden.

Man kennt diese Scherzkekse vom Flughafen, die beim Sicherheitscheck das Piepen des Metalldetektors mit dem Bekenntnis kommentieren, das sei sicher die Munition, die sie in der Gesäßtasche mit sich führten. Es sind bei weitem nicht immer nur pickelige, pubertierende Knaben, die mit diesem Witzchen dokumentieren, dass sie das Scherzniveau von Mario Barth noch nicht verlassen haben. Und was lachen dann die Sicherheitskräfte am Scanner, weil sie so etwas Originelles wirklich noch nie gehört haben. Derweil die anderen Passagiere den vermeintlichen Munitionierten gerne mal so richtig eine feuern würden, schon, weil sie so peinlich sind, und auch, weil das Warten in der Schlange wegen ihnen eben noch ein weniger länger dauert.

In der Regel geht dergleichen glimpflich aus und gut, wenn der Possenreißer wenigstens vor Scham in den Boden versinkt. Aber gesucht werden muss ja doch nach dem vermeintlich scharfen Gerät, könnte ja sein, dass der Doofmann in Wahrheit ein kalter Terrorist ist, der auf Nachlässigkeit bei Wiederholungstätern setzt.

Wie ja auch gesichert und gesucht werden muss, wenn sich Amokläufer vorab im Internet erklären. Seit dem Entsetzen von Winnenden waren das in Baden-Württemberg bis Montagabend 52, in Niedersachsen 30 und in Nordrhein-Westfalen sogar über 70. Sogar aus Frankreich ging ein Bekennerschreiben ein. Warum tut das einer? Will er die berühmte warholsche Viertelstunde Ruhm kosten? Ein teurer Ruhm, weil erst § 145d StGB den Frevel ahndet und anschließend die Kostenfrage für den unvermeidlichen Polizeieinsatz geklärt wird. Sind es Machtspiele, weil die Polizei nach der Pfeife des Anonymus tanzen muss, die ja nicht wissen kann, ob der Androher ein schlechte Scherze treibender Trittbrettfahrer ist oder ein wild entschlossener Nachahmungstäter? Oder tut sich dahinter ein noch viel größerer Schrecken auf, und sind all die Bekenner, die nun wie Ratten aus ihren Löchern kommen, ebenfalls potenzielle Amokläufer? Mindestens ist es Dummheit, abgrundtiefe Dummheit, und, wie aus den Polizeikreisen verlautet, die einen Teil der Täter schon dingfest machen konnten, es sind bei weitem nicht nur pickelige, pubertierende Knaben, die Angst und Schrecken verbreiten, als ob nicht schon genug Entsetzen geschehen wäre. Es mangelt auch dieser Todesandrohungs-Inflation an Originalität. Und lachen, nein lachen, kann darüber nun keiner. Helmut Schümann

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