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Naturkatastrophe: Ölpest vor der US-Küste: Wellen der Angst

Die Küstenstadt Waveland wurde vom Hurrikan "Katrina" dem Erdboden gleichgemacht. Die Menschen sind noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt – jetzt befürchten sie ein zweites Desaster.

Es sind die Bilder und der süßliche Geruch des Todes, die sich bis heute für den Reporter mit dem Ortsnamen Waveland verbinden. Die schwer bewaffnete Nationalgarde an den Zufahrtsstraßen gestattete vor fünf Jahren nach langem Bitten den Zugang, nur wenige Tage nach dem Durchzug des Hurrikans „Katrina“. Wer damals den „Ground Zero“ des Wirbelsturms suchte, also das Zentrum maximaler Verwüstung, kam an dem Badeort an der Golfküste des Bundesstaates Mississippi nicht vorbei. Vor allem die Reichen aus New Orleans hatten hier, im Nachbarbundesstaat Mississippi, ihre eleganten Villen und Bade-Cottages, nur eine knappe Fahrtstunde entfernt.

Bis die 200 Kilometer starken Sturmböen und eine acht Meter hohe Flutwelle kamen. „Unser Tsunami“, sagt Randy Ponder, der Herausgeber des „Sea Coast Echo“, zu der gewaltigen Woge. Die spülte am 29. August 2005 sogar Särge aus dem Friedhofsboden, beförderte Schiffe und Autos auf Dächer und in Bäume. Und sie schlug auf den ersten eineinhalb Kilometern landeinwärts eine Schneise, in der ganze Straßenzüge ausradiert wurden. „Wie ein Atombombenschlag“, sagt Ponder. Die meisten der damals 7800 Einwohner hatten sich in Sicherheit gebracht. Wer geblieben war, fand meist den Tod. Weit mehr als 100 Opfer zogen die Bergungstrupps aus den Trümmern.

Und nun rücken das Öl und damit eine erneute schwere Prüfung für die geschundene Stadt immer näher. Zwar kommen die Rettungsarbeiten wohl langsam voran, so sagt es BP. Eine riesige Kuppel, die über das Leck am Meeresboden gestülpt werden soll, könne vielleicht noch am Dienstag zum Unglücksort transportiert werden. Ingenieure hätten auch mit einer Entlastungsbohrung an der Unfallstelle begonnen, was aber bis zu drei Monate dauern werde. Aber hier in Waveland sieht man das Naheliegende. „Da unten liegen die ersten verendeten Seeschildkröten“, sagt Russell Voorhies und zeigt auf dunkle Ballen am Strand. Dann schichtet er behutsam einen Stapel Kacheln in seine Schubkarre, die er vom Fundament seines zerstörten Hauses abgehoben hat.

Fünf Jahre nach „Katrina“ zählt der Pensionär zu jenen in Waveland, die immer noch in einem Container wohnen und ihr Haus nicht wieder aufbauen konnten – und die sich als Opfer der Assekuranzen sehen. „Die Flutversicherung zahlte ihren kleinen Teil, die Windversicherung nicht. Die behauptet: Das Wasser war zuerst da“, klagt Voorhies. Wer dennoch am „Beach Boulevard“ mit dem unverbaubaren Meeresblick den Neuanfang gewagt und dabei sein Haus dem neuen Gesetz folgend auf mindestens fünf Meter hohe Stelzen gestellt hat, muss nun fürchten, dass der Strand auf Jahre unbenutzbar wird.

Doch das wäre nur einer der vielen Tiefschläge, die Waveland erwarten. „Unser ganzer Lebensstil“, sagt Verleger Ponder, „dreht sich doch ums Wasser“. Die vorgelagerten Inseln und reichen Fischgründe, „wenig bekannte Paradiese“, seien ebenso bedroht wie das berühmte Krabben-Festival der Kirche „Our Lady of the Golf“, das Austern-Festival und das Garnelen-Festival. Sie ziehen Tausende von Touristen an – unverzichtbares Lebenselixier für die wenigen Geschäfte in der Altstadt, die sich von „Katrina“ erholt haben. Und sie geben 400 Fischern Arbeit.

Der Ölteppich habe deshalb in seiner Stadt erneut eine Untergangsstimmung ausgelöst, berichtet Ponder. Und anders als beim Hurrikan, einer Naturkatastrophe, sehen er und viele Mitbürger diesmal klare Schuldige. „BP und die Regierung. Sie sind beide nicht ehrlich zu uns gewesen.“

Wer Waveland in Richtung New Orleans verlässt, trifft kurz nach dem Ortsausgang am Highway 90 auf ein Schild. „The best is yet to come“, das Beste kommt erst noch – Werbung für den Badeort. Als es nach „Katrina“ gemalt wurde, kannten die Bürger von Waveland den Namen „Deepwater Horizon“ noch nicht.

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