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Panorama: Rebell mit Gardemaß

Der Mann, der Bobby McGee erfand: Heute feiert Kris Kristofferson seinen 70. Geburtstag

Als Sohn eines Generals der US Air Force war ihm die Militärkarriere vorbestimmt. Er hatte schon den Rang eines Captain, war ausgebildet als Hubschrauberpilot und sollte künftig in West Point Elitesoldaten unterrichten, als er abdrehte. Mit dreißig warf er alles hin und begann zu komponieren. Johnny Cash und Waylon Jennings machten seine Songs berühmt – und dann traf er Janis Joplin. Ihre Interpretation von „Me and Bobby McGee“ wurde zur Hymne und, posthum, zum einzigen Nr.-1-Hit der weißen Blues-Königin, die 1970 an einer Überdosis Heroin starb. Viele wissen nicht, dass Kris Kristofferson diese Ode an die Freiheit der Landstraßen des Südens geschrieben hat.

Kristofferson, der Mann mit der tiefen, sanften Stimme. Seine Balladen („For the Good Times“, „Sunday Morning Coming Down“, „Help Me Make it Through the Night“) gehören zum Grundwortschatz der Country- und Popmusik. Wenn es so etwas wie Wahrhaftigkeit gibt, kann man es in den Songs von Kris Kristofferson spüren. Dass sich da einer durchgebissen hat: 1966, als Bob Dylan in New York „Blonde on Blonde“ aufnahm, das erste Doppelalbum der Rockgeschichte, war der große Blonde mit den blauen Augen Fahrstuhlführer bei Columbia Records. 1992, bei Dylans 30-jährigem Bühnenjubiläum im Madison Square Garden, moderierte Kristofferson das All-Star-Aufgebot, darunter seine alten Freunde Willie Nelson und Johnny Cash, mit denen er später als die „Highwaymen“ auftrat – ergraute Musiklegenden, die ihr Outlaw-Image pflegten.

Als Desperado ritt Kristofferson auch bei New Hollywood ein. „The Last Movie“ (1971), in der Regie von Dennis Hopper, war sein erster Film. Eine neue Generation fand den Vietnamkrieg und das Hollywood-Establishment zum Kotzen. Und rettete die amerikanische Filmkunst. Wagte sich sogar an das abgerittene Western-Genre. „Pat Garrett and Billy the Kid“ (1973) von Sam Peckinpah: ein Gegenstück zu „Easy Rider“. Kristofferson verkörperte den amerikanischen Robin Hood, mit breiter Heldenbrust, langem Engelshaar und mitreißender Libido. Billy the Kid, tatsächlich ein kleiner, hässlicher Bursche, wurde von Kristofferson zur strahlenden Symbolfigur des selbstbestimmten Lebens überhöht – und von James Coburn, der sich von den Großgrundbesitzern in Lincoln County, New Mexico, kaufen lässt, wie ein junger Gott hingerichtet. „Knockin’ on Heaven’s Door“ – Bob Dylan schrieb die Filmhymne.

Weit davon entfernt, ein Intellektueller zu sein, arbeitete Kristofferson mit den gesetzlosen Regisseuren: ein paar Jahre später noch einmal mit Peckinpah („Convoy“, Kristofferson als Anführer einer Trucker-Gang) und 1980 mit Michael Cimino in „Heaven’s Gate“, einer der größten kommerziellen Katastrophen der Filmgeschichte.

Ein Antiheld? Kristofferson hat Helden nie gemocht. Jedenfalls nicht die der offiziellen Geschichtsschreibung. Auf seinem neuen Album „This Old Road“ grummelt er seine Wut heraus über die Verlogenheit der amerikanischen Gotteskrieger und beschwört noch einmal, den Blick fest aufs Weiße Haus gerichtet, den „Wild American“, der vielleicht sich selbst, aber nicht die Welt retten will.

Heute feiert der Texaner seinen 70. Geburtstag. Der Vergleich mag etwas schief sein, vor allem politisch, aber Kris Kristofferson war immer eine Art John Wayne von Nashville und New Hollywood. Und immer er selbst.

Rüdiger Schaper

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