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Panorama: Schnee von gestern

In den Skiorten Gstaad und St. Moritz bleiben die Reichen weg – und die, die kommen, schauen plötzlich aufs Geld

Michael Jackson kam immer im Schutz der Nacht. Genau dann, wenn das Objekt seiner Sehnsucht im warmen Licht erstrahlte: Ein grandioses Spektakel der Architektur, so surreal wie ein Schloss des Märchenkönigs Ludwig, so kitschig-schön wie eine Burg aus dem Disneypark. Ganz oben links, im verzierten Türmchen, da wollte der Ex-König der Popmusik sich seinen Zerstreuungen hingeben. Irgendwann hielt es Jackson nicht mehr aus. Er unterbreitete ein Kaufangebot für das Palace Hotel in Gstaad. „Der Herr Jackson hatte auch schon einen Preis genannt“, erinnert sich Andrea Scherz, General Manager des Palace. „Natürlich mussten wir ihm eine Absage erteilen.“

Scherz zupft am Kragen seines grünen Trachtenjankerls, lässt vom Ober Kaffee aus der Silberkanne nachgießen und schweift mit seinem Blick durch die Panoramafenster hinaus auf die verschneiten Berge. „Ohne das Hotel würde es mir einfach zu langweilig“, sagt er. „Und ob der Herr Jackson der Richtige für dieses Haus wäre?“ Inzwischen meidet der gefallene Musikstar die Glitzerwelt des Palace Hotel. Ebenso zieht es andere begüterte Gäste nicht mehr so stark wie früher in die Nobelherbergen von Gstaad und der übrigen Schweiz – freilich aus verschiedenem Grund. Die diffuse Terrorangst dringt bis in die Edelhotels vor. Und vor allem macht die globale Wirtschaftsflaute auch der Hautevolee zu schaffen.

Und diejenigen Jetsetter, die wie immer kommen, prassen nicht mehr ganz so ungeniert wie noch vor Jahren. „Die Leute schenken kaum mehr soviel Schmuck und Uhren aus den hiesigen Juweliergeschäften und sie trinken auch nicht mehr unbedingt den allerteuersten Wein im Restaurant“, verrät Roger Seifritz, Tourismus-Direktor von Gstaad. Tatsächlich ist etwa der lokale Gstaader Schlemmertempel, das Chesery, nicht wie früher bis auf den letzten Platz gefüllt. Es scheint, als gönnten sich nur noch die Superreichen die erlesenen Speisen: Sollen es weiße Trüffel aus Alba, knappe 900 Franken für 100 Gramm sein? Oder doch lieber die schwarzen Trüffel aus Périgord für 449 Franken pro 100 Gramm?

Immerhin hält auch in dieser Saison der Oberchef des größten Vermögensverwalters der Welt, UBS, Marcel Ospel, dem Chesery noch die Treue. Andere Wirtschaftskapitäne wie Ex-VW-Chef Ferdinand Piech hingegen machen sich rar in diesem Gstaader Winter. Vielleicht schreckt der Anblick von Gestrauchelten und Hasardeuren, die sich hier demonstrativ dem süßen Leben hingeben – Thomas Haffa etwa. Oder irritieren die schmucken Damen, die mit viel Oberweite und wenig Hemmungen in den Gängen der Luxushotels promenieren? Auch mäkelt die etablierte Klientel immer noch über „diese Russen“. „Die protzen mit dem Pelzmantel und der Goldkette auf der Skipitse – einfach niveaulos“, zischt eine ältere Besucherin, die schon mit ihren Eltern in den Luxushotels von Gstaad abstieg.

Die Fremdenverkehrsmanager aber können nicht genug von den neureichen Gästen aus dem Osten bekommen: Während ein Russe pro Tag im Durchschnitt 300 Schweizer Franken in der Schweiz lässt, geben sich die Deutschen knauserig: Nur 125 Franken geben sie pro Tag aus. Um die traditionelle Kundschaft trotz dieser Unannehmlichkeiten bei Laune zu halten, überbieten sich die Hotelmanager in Gstaad und anderen Nobelorten mit Extravaganzen. Ein flüchtiger Genuss – das Gstaader Helikopter-Frühstück. Auf einem Gletscher, in 3000 Meter Höhe, werden Gipferli, Müesli und Kaffee gereicht. Kosten: 350 Franken. Wer es noch unkonventioneller will, der kann im Schnee seiner Golflust frönen. „Helle Begeisterung kommt beim Vollmond-Turnier auf der neu eröffneten Snow-Golf-Anlage auf“, versprechen die Tourismusmanager. Gstaads einziger ernsthafter Schweizer Rivale im Kampf um die Reichen und die Schönen, St.Moritz, lockt auch diesen Winter mit dem „höchstdotierten Pferderennen über 2000 Meter“. Dem Thrill des „White Turfs“ werden sich Zehntausende ab Februar wieder aussetzen – so hoffen die Wettbüros und Hoteliers. Dabei verbringen die ausgesuchten Damen und Herren mehr Zeit im Prominentenzelt als auf der Rennbahn – das rote VIP-Bändchen immer sichtbar am Handgelenk baumelnd. Dem gemeinen St. Moritz-Besucher ist es verwehrt, sich an Kaviarhäppchen und Champagner zu laben oder einfach neben dem Ofen aufzutauen. Ist diese „Extravaganz der Kulturgeschichte“, wie die Kurdirektion des Engadiner Städtchens das Treiben nennt, noch zu überbieten? Kaum. Auf das geplante erste Kamelrennen der Welt jedenfalls müssen die betuchten Fans in St. Moritz verzichten: Die Wüstenschiffe rutschten bei Testläufen im Schnee aus.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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