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Panorama: Schwarzes Meer

Nach dem Untergang der „Prestige“ drohen 1000 Kilometer Küste verseucht zu werden – Behörden versagen

Nach dem Untergang des alten Supertankers „Prestige“ gut 200 Kilometer vor der spanisch-portugiesischen Atlantikküste scheinen sich die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen: Ein gigantischer Ölteppich, schon jetzt zehn Mal größer als der Bodensee, treibt Richtung Land. Dort sind schon fast 300 Kilometer der bizarren galizischen Küste im Nordwesten Spaniens von der Umweltkatastrophe betroffen. Experten warnen davor, dass die „schwarze Flut“ die gesamte Küste zwischen Galiciens Hauptstadt La Coruna und Portugals Hafenstadt Porto auf einer Länge von rund 1000 Kilometer verseuchen könnte. Die Frage sei nur, wann das meiste Öl an der Küste ankommt.

„Die Katastrophe“, prophezeit der portugiesische Meereskundler Adriano Bordalo, „wird wahrscheinlich die schlimmste in der Geschichte Galiciens und Nordportugals sein.“ Und die Küste, die wegen ihrer vielen Felsen und schweren Wetters bei den Seefahrern gefürchtet ist und deshalb „Todesküste“ heißt, hat in den letzten 50 Jahren schon etliche schwere Schiffsunglücke erlebt. Wieviel des giftigen Schweröls nun aus dem 240 Meter langen Tanker austrat, der nach sechstägiger Havarie am Dienstag endgültig versunken war, weiß niemand genau. Sicher scheint nur, dass es mehr sind als jene zehntausend Tonnen, von denen Spaniens Regierung bislang offiziell sprach.

Die spanischen Behörden hatten den nahe des Ufers leckgeschlagenen Tanker, der 77000 Tonnen Schweröl geladen hatte, fast eine Woche lang über den Atlantik aufs Meer ziehen lassen, „um eine noch größere Katastrophe an der Küste vermeiden". Dabei hinterließ der auseinanderbrechende Tanker eine Ölspur, die zuletzt 280 Kilometer lang und 30 Kilometer breit war. Ein zweiter gigantischer Ölteppich aus schätzungsweise 5000 Tonnen breitete sich an der Stelle des Untergangs aus. Hinzu kommen weitere ölige Flecken, die auch jeweils mehrere Quadratkilometer bedecken. – Und alles, so schien es am Mittwoch abend, wird immer weiter Richtung Küste getrieben.

Spaniens Regierung, der von Umweltorganisationen vorgeworfen wird, die Ölpest durch das tagelange Abschleppmanöver der „Prestige“ nur noch verschlimmert zu haben, verteidigte am Mittwoch ihr Vorgehen. In 3500 Meter Tiefe des Atlantiks, wo der Schrotttanker nun begraben liege, werde sich das sehr zähflüssige Öl durch den Wasserdruck und niedrige Temperaturen „wahrscheinlich“ verklumpen und für immer am Meeresboden bleiben. Verteidigungsminister Federico Trillo enthüllte zudem, man habe vorübergehend erwogen, den manövrierunfähigen Tanker mit Bomben in Brand zu stecken und zu versenken. „Das ist jetzt nicht mehr notwendig.“ Auch die behördlichen Schutzbemühungen und Säuberungsarbeiten an der galizischen Küste geraten in die Kritik. Der Fischereiminister Galiciens, Enrique Lopez Veiga, gab zu, dass es „weder genügend Ölbarrieren noch genügend Zeit gebe, um diese aufzubauen". Fischer bauten teilweise mit ihren Booten provisorische Barrieren, um ihre Fischgründe und Muschelbänke zu schützen.

Derweil versuchen Soldaten in einem mühsamen Kampf mit Schaufeln an den bislang rund 90 ölverseuchten Stränden, die zähe bis zu zehn Zentimeter dicke Ölschicht abzutragen – das kann Monate, wenn nicht Jahre dauern. „Es fehlt Ausrüstung und Koordination“, rügen die lokalen Medien.

Die Europäische Union kündigte derweil Hilfen für Galiziens Fischereiindustrie an, der durch die Tankerkatastrophe Millionenschäden drohen. Spaniens Regierung plant unterdessen einen juristischen Feldzug gegen mutmaßliche Verantwortliche des Tankerunglücks. Doch derer gibt es viele – zu verwirrend ist das Netz der Verantwortlichkeiten geknüft.

Ralph Schulze[La Coruna]

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