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Panorama: Show mit Spitzen

Just als Baulöwe Lugner mit Stargast MacDowell den Wiener Opernball betritt, wird das Fußvolk zugelassen

Nein, Ioan Hollender, der Direktor der Wiener Staatsoper, ist kein gebürtiger Wiener, aber für einen „Zua’graasten“, wie der Wiener mit ebenso abschätzigen wie lang gezogenen Vokalen nicht eingeborene Stadtbewohner bezeichnet, ist er schon ziemlich perfide. Da stand er am Donnerstagabend als Hausherr des Wiener Opernballs am obersten Absatz der Freitreppe und beäugte den Aufmarsch der Ehrengäste. Traditionellerweise wird beim Opernball für dieses kamerataugliche Schaulaufen von Staatsgästen und VIPs die große Feststiege im Eingangsbereich zwanzig Minuten lang vom hauseigenen Sicherheitsdienst für den gemeinen Publikumsverkehr gesperrt, auf dass die Fotografen tolle Bilder der wirklich Wichtigen machen können – und die Fernsehteams noch tollere Interviews.

Auch Richard „Mörtel“ Lugner, Wiener Society-Löwe und im Nebenberuf Bauunternehmer, nutzt dieses Podium gerne, um sich, seine im ganzen Land nur als „Mausi“ bekannte Frau Christina und seine gekaufte Begleitung zu präsentieren. Sein Problem ist nur: Ioan Hollender mag ihn nicht, weil er ihn für einen aufgeblasenen Gecken hält, und als er die Lugners an diesem Donnerstag am Fuß der Feststiege erblickte, gab er seinen Sicherheitskräften ein Zeichen. Auf einmal wurde auch das einfache Publikum zugelassen, die Massen strömten unkontrolliert in den ersten Stock und der Auftritt der Lugners war dahin.

Eine an sich nicht unkomische Einlage für Freunde der Wiener Boshaftigkeit, und doch war es schade: Denn Lugners Opernball-Gast in diesem Jahr war die einzige Dame, die der Veranstaltung ein bisschen internationalen Glamour gab – Hollywood-Star Andie MacDowell.

Ansonsten war das Staraufgebot anno 2004 doch eher mangelhaft: Die in den Wiener Boulevardmedien großspurig und fast schon ein bisschen sehnsüchtig angekündigte US-Senatorin Hillary Clinton kam ebenso wenig wie der pausierende Entertainer Harald Schmidt. Hotel-Erbin Paris Hilton verunsicherte donnerstags lieber New York, und sogar die zweite Liga der deutschen Regenbogen-Stars ließ auf sich warten: Keine Uschi Glas war zu sehen, kein Ralf Schumacher – von seinem Bruder gar nicht zu reden –, noch nicht mal Dolly Buster, die auch schon zwei Mal in Wien war, beehrte Österreichs Hauptstadt dieses Mal, und am Dienstagnachmittag stornierte auch noch der sonst eher doch öfter anwesende Gunter Sachs seine bereits reservierte Loge. Einzig Franz Beckenbauer zeigte sich in der Staatsoper, ansonsten blieben die DJ Ötzis (mit kristallbesetzter Häkelmütze), Anouschka Renzis (mit Katzenfell-Hut samt Feder) und Werner Schlagers (Österreichs Tischtennis-Weltmeister, der zur besseren Wiedererkennung sogar mit einem Racket anrückte) weitgehend unter sich. Und sogar die Krawalle vor dem Opernhaus, die so etwas wie die österreichische Version der Berliner Mai-Randale sind, fielen etwas kleiner aus. Wären nicht Lugner samt Andie MacDowell, die halbe bayerische Staatskanzlei und natürlich die zur Zeit in Wien unvermeidliche Außenministerin Benita Ferrero-Waldner gewesen – Österreichs Society-Journalisten hätten einen langweiligen Abend gehabt.

Aber vielleicht haben es die Lugners und andere etwas zu toll auf die Spitze getrieben in den vergangenen Jahren. Der Wiener Bauunternehmer lädt seit mittlerweile zehn Jahren bezahlte Showstars wie Pamela Anderson oder Grace Jones in seine Loge, andere machten es ihm nach. Der Ball war längst nicht mehr die Repräsentationsveranstaltung Österreichs, die er sein sollte, und auch nicht der Ball der „Künstler, Wirtschaft und Politik“, den Staatsopernchef Ioan Hollender immer wollte. Er war Glamour und eher peinlich. 2004 war das anders, diesmal kamen wieder die Unternehmer wie Heinrich von Pierer von Siemens, WAZ-Manager Erich Schumann, die Verlegerin Friede Springer oder die Familie Porsche.

Nur, dass die sich sehr zum Ärger der Glamour-Berichterstatter nicht interviewen lassen wollten. Ioan Hollender selbst machte das freilich nichts aus. Für ihn war der Ball, wie er schon kurz vor Mitternacht sagte, „einer der schönsten der vergangenen Jahre.“

Markus Huber[Wien]

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