zum Hauptinhalt
In Frankreich häufen sich Missbrauchsvorwürfe - und sorgen nun für Geständnisse.

© Ingo Wagner/dpa

Skandal in Frankreichs katholischer Kirche: Früherer Erzbischof gesteht Missbrauch an Minderjährigen

Nach einem Bericht über sexuelle Missbrauchsvorfälle in Frankreich befinden sich mehrere Bischöfe im Visier der Justiz. Nun gesteht ein Kardinal den Missbrauch einer Minderjährigen.

Neuer Skandal in der katholischen Kirche in Frankreich: Kardinal Jean-Pierre Ricard (78), früherer Erzbischof von Bordeaux, hat sich wegen „verwerflichen Verhaltens“ gegenüber einer 14-Jährigen selbst bei der Bischofskonferenz angezeigt.

Insgesamt würden oder wurden bereits elf pensionierte oder noch aktive französische Bischöfe von staatlichen oder kirchlichen Stellen untersucht, sagte der Bischofskonferenz-Vorsitzende, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, am Montag bei einer Pressekonferenz von der Vollversammlung in Lourdes.

Zuvor gerieten Missbrauchsfälle von elf Bischöfen an die Öffentlichkeit

Gut ein Jahr nach der Veröffentlichung eines Missbrauchsberichts der katholischen Kirche in Frankreich befinden sich elf aktive oder ehemalige Bischöfe im Visier der staatlichen oder kirchlichen Justiz. Dabei gehe es um „äußerst unterschiedliche Situationen mit Blick auf begangene Taten oder Vorwürfe“, sagte der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, am Montag in Lourdes. Details nannte er nicht.

Zu den Betroffenen zählt den Angaben zufolge auch der Ex-Bischof von Créteil, Michel Santier, der sexuellen Missbrauch von zwei Männern gestanden hatte. Der Fall hatte in Frankreich Aufsehen erregt, weil erst kürzlich bekannt geworden war, dass der Vatikan Santier wegen seiner Vergehen stillschweigend sanktioniert hatte. Öffentlich war sein vorzeitiger Rücktritt zunächst mit gesundheitlichen Problemen begründet worden.

Kardinal Ricard nennt sein Verhalten „verwerflich“

In einer von de Moulins-Beaufort verlesenen Erklärung teilt Kardinal Ricard mit: „Vor 35 Jahren habe ich mich als Pfarrer gegenüber einem 14-jährigen Mädchen verwerflich verhalten.“ Dies habe bei ihr „schwere und dauerhafte Folgen“ hinterlassen. Er habe mit der Frau darüber gesprochen und „sie um Vergebung gebeten“. Ricard erklärte weiter, er habe sich entschlossen, nicht länger zu schweigen und sich der staatlichen und kirchlichen Justiz zu stellen. Zudem wolle er nun eine „Zeit in Rückzug und Gebet“ verbringen.

Ricard ist einer von sechs französischen Kardinälen. Seit 2001 leitete er das Erzbistum Bordeaux im Südwesten des Landes; zudem war er von 2001 bis 2007 Vorsitzender der Bischofskonferenz. 2019 nahm Papst Franziskus seinen Amtsverzicht als Erzbischof von Bordeaux aus Altersgründen an.

Entschädigungsfonds für Opfer sei nachlässig

Vor gut einem Jahr hatte eine Untersuchungskommission geschätzt, dass seit 1950 in Frankreich etwa 330.000 Minderjährige von Priestern, Ordensleuten oder Mitarbeitern katholischer Einrichtungen sexuell missbraucht worden waren. Der Bericht hatte Schockwellen in der katholischen Kirche ausgelöst.

333.000
Minderjährige wurden in Frankreich schätzungsweise seit 1950 von Amtsträgern und Mitarbeitern der katholischen Kirche sexuell missbraucht

Die Bischofskonferenz hatte anschließend einen Fonds für die Entschädigung der Opfer eingerichtet, für den unter anderem Immobilien der Kirche veräußert werden sollten. Anfang des Jahres umfasste er etwa 20 Millionen Euro. Bis Ende September hatten etwa tausend Menschen Ansprüche angemeldet - es waren bis dahin allerdings lediglich 23 Opfer finanziell entschädigt worden. Opferverbände werfen der Kommission vor, zu langsam voranzugehen. (AFP, KNA)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false