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Panorama: Spätere Heirat ausgeschlossen

In San Francisco ist jeden Tag Valentinstag, seit der Bürgermeister die Homo-Ehe legalisierte. Doch Bush und Schwarzenegger gefällt die Massenhochzeit nicht

Die Menschenschlangen sind schon viel kürzer geworden, aber sie reichen immer noch die breiten Stufen des Rathauses hinab und um die Ecke. Aus ganz Kalifornien, aus ganz Amerika und aus der halben Welt reisen seit einer Woche schwule und lesbische Paare nach San Francisco, um sich trauen zu lassen. Der frisch gewählte Bürgermeister Gavin Newsom hatte pünktlich zum Valentinstag den Weg dazu mit einer Sondergenehmigung frei gemacht. Seitdem kochen die amerikanischen Konservativen vor Wut, die Gerichte müssen sich mit Dutzenden von Einsprüchen befassen, und Präsident George W. Bush zeigt sich „sehr besorgt“.

Doch im Rathaus von San Francisco herrscht weiter Hochstimmung. „Ich werde nicht damit aufhören, die Leute zu verheiraten, bis ein Richter es mir befiehlt“, sagte die Standesbeamtin Mabel S. Teng dem „San Francisco Chronicle“. Derweil schiebt ihr Team Überstunden, das ganze Wochenende über haben alle freiwillig und ohne Bezahlung gearbeitet, um den Andrang zu bewältigen. Bislang trauten sie knapp 3000 gleichgeschlechtliche Paare, mit anrührenden Zeremonien und als bewusste Demonstration gegen die konservativen Mächtigen in Washington. „Wo sonst ist so etwas möglich, wenn nicht in San Francisco?“, fragt Teng. Es scheint beinahe, als müsse der alte Scott-McKenzie-Song, die Hymne der Hippie-Bewegung in den 70er Jahren, umgedichtet werden. Jetzt müsste es nicht mehr heißen: „Kommst du nach San Francisco, vergiss’ nicht, eine Blume im Haar zu tragen“, sondern: „…vergiss nicht, deine Papiere mitzubringen“. So scherzt man derzeit an der Westküste.

Um kurz nach elf am vergangenen Donnerstag hatten sich Phyllis Lyon, 79, und Del Martin, 83, als erstes lesbisches Paar in den USA ein offiziell abgesegnetes Ja-Wort gegeben. Die beiden Frauen sind Vorreiter der Lesben-Bewegung in San Francisco und feierten genau an jenem Tag das 51. Jahr ihrer Partnerschaft. Bürgermeister Newscom sagte: „Ich lade den Präsidenten ein, Phyllis und Del zu treffen und mit ihnen zu diskutieren, warum sie schlicht dieselben Rechte wie ein Paar haben wollen, das seit 51 Jahren zusammenlebt. Wie meine Frau und ich.“ Und viele, die aus anderen Städten Floridas, Neuseeland oder Deutschland anreisten, denken wie Marcus Wonacott, 49, der seinen Freund Andy Anderson, 42, heiratete: „Dies ist ein historischer Meilenstein, wir schreiben gerade Geschichte.“

Dass ausgerechnet der 42-jährige Bürgermeister Newscom in dem Prozess um die Legalisierung der Homo-Ehe eine entscheidende Rolle spielen würde, war kaum vorherzusehen. Der frisch gewählte Bürgermeister, ein Demokrat, galt im Wahlkampf als der weitaus konservativste Kandidat. Der Multimillionär stammt aus einer irisch-katholischen Familie und wurde vor zwei Jahren – wie er selbst sagt – in einer der traditionellsten katholischen Zeremonien überhaupt mit seiner Frau verheiratet.

Warum San Franciscos Bürgermeister dennoch die Tür für die Homo-Ehe öffnete, beschreibt er so: „Einfach gesagt stimmt mein Handeln mit der kalifornischen Verfassung überein, dem höchsten Recht unseres Bundesstaates. Und es gibt keine Doppeldeutigkeit in unserer Verfassung, wenn es um Diskriminierung geht. Die ist verboten.“ Allerdings bezieht das kalifornische Recht die Ehe bislang ausschließlich auf „Mann“ und „Frau“. Gouverneur Arnold Schwarzenegger forderte Newscom schon auf, „sich an das Recht zu halten“.

Am heutigen Freitag könnten Richter die Party vorläufig stoppen, dann müssen sie erneut über eine Klage von Bürgerrechtsgruppen entscheiden. Was die selbst ernannten Moralapostel des Landes empfinden, fasste Präsidenten-Gattin Laura Bush in einem Statement zu den Ereignissen in San Francisco so zusammen: „Ich denke, es ist ebenso eine politische Frage wie eine Frage, über die die Leute diskutieren wollen. Für Teile der amerikanischen Bevölkerung ist das ein schockierendes Thema.“ Unterdessen treibt ihr Mann einen Verfassungszusatz voran, der die Homo-Ehe ausdrücklich verbietet. Ein San Francisco ist den Republikanern zweifellos genau eines zu viel.

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