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Grausames Spektakel. Die Corrida ist eine Milliardenbranche, mit der sich die politischen Parteien nicht anlegen wollen.

© dpa

Stierkampf: Ein Fall für die politische Arena

In Spanien tobt eine Debatte um ein Verbot des Stierkampfs – die Proteste werden immer lauter.

Seine Majestät höchstpersönlich stellte sich dieser Tage an die Spitze der Befürworter des Stierkampfes: Das sei eine „kulturell und künstlerisch reichhaltige Welt“. Und weil Spaniens König Juan Carlos diese nationale „fiesta“ so liebt, ist er Stammgast in der größten Arena des Landes in der Hauptstadt Madrid. Deren 24 000 Sitzplätze übrigens oft schon Wochen vor dem Tötungsspektakel ausverkauft sind. Die Geste des Königs als Staats- und Stierkampf-Oberhaupt findet große Aufmerksamkeit in Zeiten, in denen die Kritik an dem öffentlichen Gemetzel der Kampfbullen wächst. Gerade erst zogen wieder tausende Demonstranten durch Madrid und skandierten: „Diese Folter ist keine Kultur“. Und: „Schluss mit dem Abschlachten – das ist eine Schande.“

Auch Protestaktionen vor den Arenen gehören inzwischen zum Alltag. Seit in der nordspanischen Region Katalonien das Parlament über ein gesetzliches Verbot aller Stierkämpfe nachdenkt, wird im ganzen Land heißblütig über die Zukunft der „corridas“ und ihre Berechtigung im 21. Jahrhundert gestritten. Unzivilisiert und mittelalterlich sei dieser Brauch, schimpft etwa der spanische Philosoph Jesus Mosterin. „Es stimmt zwar, dass die Stierkämpfe eine lange Tradition haben. Aber die Misshandlung von Frauen hat auch Tradition, doch letztere ächten wir.“ Ein ungerechter Vergleich, schäumt der Torero Joselito: „Der Stierkampf ist ein Spektakel der Leidenschaft, auf Leben und Tod. Da stecken Gefühle, Tradition, Kultur und Werte drin. Ich respektiere den Kampfbullen.“ Genau besehen sei er sogar ein Tierschützer. Denn dieses sorgsam gezüchtete energiegeladene Rindviech sei „das schönste und bestbehandelte Tier der Welt, das aussterben wird, wenn alle Arenen geschlossen werden“. In der Tat wachsen die dunkelbraunen bis schwarzen Stiere in einem bäuerlichen Schlaraffenland auf: Sie werden nicht in stinkenden Ställen und engen Mastboxen gehalten, sondern weiden mindestens vier Jahre auf weiten grünen Wiesen in der Provinz. Hinter Stacheldraht mit roten Warnschildern, auf denen potenzielle Eindringlinge gewarnt werden: „Vorsicht Kampfstiere“. Es sind glückliche Bullen – bis sie in die Arena getrieben werden. Die Stierkampfbranche ist ein Geschäft, das viel Geld bewegt. Sogar versteckte Subventionen von der Europäischen Union und aus dem spanischen Steuersäckel fließen, die unter dem Etikett „Rinderzucht“ oder „Tourismusförderung“ beantragt werden. Ein edler Kampfstier kostet so viel wie ein Luxuswagen, Star-Toreros wie Jose Tomas verdienen Traumgagen wie Popstars. Viele spanische Dörfer haben eine Arena. Nur auf den weit weg gelegenen Kanarischen Inseln, wo die Stierleidenschaft nie groß war, sind die „corridas“ schon länger verboten. Spektakel wie die lebensgefährlichen Stierhatzen in der nordspanischen Stadt Pamplona ziehen hunderttausende Besucher aus dem In- und Ausland an. Das füllt kräftig die öffentlichen Kassen. Vielleicht hat auch deswegen die Regierung der um Pamplona herum liegenden Region Navarra die Stierkämpfe stolz zum „regionalen Kulturgut“ erklärt. Genauso übrigens wie die Regionen Valencia und Madrid. Esperanza Aguirre, konservative Regierungschefin der Hauptstadtregion Madrid, besteht sogar darauf, dass in den Schulen die „Werte“ dieser uralten Tradition vermittelt werden. Damit Spaniens berühmtes und zugleich umstrittenes Volksfest nicht untergeht. Aguirre: „Der Stierkampf ist ebenso schützenswert wie Museen oder Denkmäler“. Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Jose Luis Zapatero, der als Gegner der Stierquälerei gilt, hält sich derweil aus diesem hitzigen Streit heraus. Die Regierung denke nicht an ein Verbot. Das entspricht offenbar der Stimmungslage in dem südeuropäischen Land. Zwar interessiert sich, Umfragen zufolge, nur rund ein Drittel der 47 Millionen Spanier für Stierkämpfe. Aber die Mehrheit tritt dafür ein, die Feierlaune der spanischen Stierfiesta nicht zu trüben.

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