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Unglück: Einsturz in Köln: Noch zwei Vermisste - Immenser Schaden

Die Suche nach zwei Vermissten geht nach dem Einsturz des Stadtarchivs in Köln weiter. Grund für das Unglück waren möglicherweise Bauarbeiten an einer U-Bahn. Kölns Oberbrügermeister fand deutliche Worte: Er hält solche Arbeiten in Innenstädten für "fast unverantwortlich". Vorwürfe, das Unglück sei absehbar gewesen, wies die Stadt Köln zurück.

Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln wird weiter über die Ursache des Unglücks spekuliert. Eberhard Illner, ein langjähriger Abteilungsleiter des Archivs, sprach in Radio- und Fernsehinterviews von einer "absehbaren Katastrophe". Er verwies auf deutliche Risse in den Wänden des Gebäudes schon vor längerer Zeit. Die Stadt Köln bestritt, Hinweisen auf eine Gefährdung nicht nachgegangen zu sein. Stadtdirektor Guido Kahlen sagte dazu, Mitte 2007 habe ein Sachverständigenbüro ein Gutachten erstellt, aus dem hervorgegangen sei, dass die Risse die Statik nicht beeinträchtigten. Im Dezember 2008 habe ein Statiker dies bestätigt. "Nach jetzigem Stand waren die damals festgestellten Schäden nicht ursächlich für das Unglück", sagte Kahlen. In Köln wird darüber spekuliert, dass der Einsturz des Archivgebäudes durch Bauarbeiten für die Erweiterung der U-Bahn ausgelöst worden sein könnte.

Es wird nach zwei Vermissten gesucht

Derweil werden weiterhin zwei männliche Bewohner vermisst. Bei den beiden Männern handele es sich um die Bewohner der Dachgeschosswohnungen eines der eingestürzten Wohnhäuser, sagte eine Polizeisprecherin. Die Polizei ermittle in deren Familien- und Bekanntenkreis sowie auch im Arbeitsumfeld und setze alles daran, die Vermissten zu finden.

Die Überlebenswahrscheinlichkeit möglicher Verschütteter tendiere leider "gegen Null", sagte der Kölner Feuerwehrchef Stephan Neuhoff. Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) sagte, "wir können nur hoffen, dass sich diese beiden Personen nicht auf diesem Grundstück aufgehalten haben". Die Suche sei äußerst schwierig, da in der Umgebung weitere Häuser stark einsturzgefährdet sein.

Es werde vermutlich noch bis Donnerstagnachmittag dauern, ehe die Unglücksstelle so weit abgesichert sei, dass im Schuttberg nach möglichen Opfern gesucht werden könne. Es sei so gut wie ausgeschlossen, sie noch lebend zu finden. Seit Dienstag wird die Unglücksstelle mit rund 1000 Kubikmetern Beton gesichert. Dadurch soll verhindert werden, dass der Boden erneut nachgibt.

Der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme, sprach am Mittwochmorgen ebenfalls von einer schwierigen Lage. Noch sei das Betreten weiter Teile der Einsturzstelle für die Einsatzkräfte zu gefährlich, sagte Broemme dem Fernsehsender N-TV. Selbst die Rettungshunde könnten nicht überall eingesetzt werden. "Das ist eine wahrlich fatale Situation." Allerdings sei aus Erdbebengebieten bekannt, "dass es ein wundersames Überleben bis zu mehreren Tagen nach dem Einsturz von Gebäuden durchaus geben kann, fügte der THW-Präsident hinzu. Daher gelte auch in diesem Fall: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Die Polizei hat um die Einsturzstelle einen Sicherheitsbereich von 150 Metern eingerichtet. In der Nacht hatten die Einsatzkräfte bereits versucht, ein weiteres Absacken des Bodens zu verhindern. Am Nachmittag solle die Verfüllung der U-Bahn-Baugrube mit Beton abgeschlossen sein.

Als Ursache für die Katastrophe wird der nahe gelegene U-Bahn-Bau immer wahrscheinlicher. Feuerwehrdirektor Neuhoff sagte, in der benachbarten Baugrube für die U-Bahn-Erweiterung sei eine Öffnung entstanden. In diese Öffnung sei Erde nachgerutscht, und dadurch sei dem Historischen Archiv praktisch der Boden entzogen worden und das Gebäude sei nach vorne in die Grube gekippt.

Oberbürgermeister: U-Bahnbau in Städten "fast unverantwortlich"

Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) kündigte eine Überprüfung des Weiterbaus der U-Bahn an. Selbst im Rathaus gebe es Risse. Schramma, der angesichts der Katastrophe seinen Urlaub in Österreich abgebrochen hatte, forderte eine lückenlose Aufklärung. "Bis dato war nicht abzusehen, dass es tatsächlich eine bedrohliche Situation gegeben hat", sagte der Oberbürgermeister. Im Laufe des U-Bahn-Baus seien immer wieder Risse an Wohnungen und Häusern aufgetaucht, was zu Warnungen vor einer möglichen Gefährdung geführt hatte. Natürlich könne es nicht sein, dass Menschen nun in Zukunft wegen des U-Bahn-Baus in ständiger Sorge leben, sagte Schramma.

Am Mittwochmorgen hatte er U-Bahn-Bauten in stark bewohnten Gebieten oder Städten in Frage gestellt. Diese gehörten "auf den Prüfstand", sagte Schramma vor Journalisten an der Unglücksstelle in der Kölner Südstadt. Angesichts der bisherigen Zwischenfälle beim Bau der unterirdischen Nord-Süd-Stadtbahn in Köln halte er solche Vorhaben für "fast unverantwortlich".

Hoffnung auf Rettung von wertvollem Archivmaterial

Der Schaden durch den Einsturz ist immens. Der Versicherungswert des Archivmaterials betrage 400 Millionen Euro, sagte Kulturdezernent Georg Quander. "Es handelt sich um das Gedächtnis des gesamten Rheinlandes und weit darüber hinaus." Wieviel Archivgut vernichtet worden ist, sei noch nicht abzuschätzen.

Es gibt jedoch Hoffnung auf die Rettung vieler mittelalterlicher Urkunden. Rund 20 Archivare und Restauratoren hätten von einer sicheren Stelle aus das Trümmerfeld und die Talsohle des Unglücksortes betreten können, sagte NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff am Mittwoch. "Dabei zeichnet sich ab, dass die alten und weltberühmten historischen Urkunden des Kölner Stadtarchivs weitgehend sicher geborgen werden können", heißt es in Mitteilung der Staatskanzlei.

Es sei aber zu befürchten, dass viele wertvolle Kloster- und Stiftungsurkunden von einbrechendem Wasser beschädigt worden sind. Für deren sofortige Wiederaufarbeitung stünden Restauratoren in Düsseldorf und Münster bereit.

Die gelagerten Schätze sollen geborgen werden

Der Notfallplan des Landes sehe vor, dass zunächst das Einsturzgebiet mit Planen abgedeckt wird, um die "unvergleichlichen Kulturschätze" vor drohendem Regen zu schützen. Parallel dazu werde Archivgut, wo es möglich ist, geborgen, verpackt und zur weiteren Behandlung in andere Archive verlagert. Dies geschehe derzeit.

Das Archivgebäude und zwei benachbarte Wohnhäuser waren am Dienstag zusammengebrochen. Da das Gebäude rechtzeitig geräumt worden war und auf der benachbarten U-Bahn-Baustelle Mittagspause war, gab es dort nur Leichtverletzte. Auslöser war nach ersten Erkenntnissen der Behörden ein Erdrutsch, der durch den U-Bahn-Bau ausgelöst wurde. Bereits 2004 war ein Kirchturm aufgrund der unterirdischen Bauarbeiten zur Seite gekippt.

Das Kölner Archiv war das größte deutsche Stadtarchiv. Neben mittelalterlichen Beständen von europäischem Rang beherbergte das Gebäude unter anderem den Nachlass von Heinrich Böll und Dokumente aus der Kölner Oberbürgermeisterzeit von Konrad Adenauer. (jnb/ut/dpa/ddp/AFP) 

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