zum Hauptinhalt

Panorama: Unter Freibeutern

Container eines havarierten Frachters geplündert

Von Oliver Bilger

Die Plünderer ließen nicht lange auf sich warten. Angelockt von der kostbaren Fracht, die das vor der südenglischen Küste im Sturm gestrandete Containerschiff „MSC Napoli“ geladen hatte, raubten mehrere hundert Menschen am Montag, was das Meer ans Ufer gespült hatte. Über 200 Behälter waren von Bord der „MSC Napoli“ ins Meer gerutscht, mindestens 20 wurden an die Küste geschwemmt. Der Inhalt der Container soll viel wert sein, berichtete die „BBC“ am Montag. In den Behältern waren BMWMotorräder, Mercedes-Limousinen, Autoteile, Wein und Kleidung geladen.

Die Menschen schafften die Gegenstände teilweise mit einem Traktor vom Strand. Dabei ließen sie sich vom Fernsehen filmen und gaben Fernsehreportern bereitwillig Interviews. Viele der Gegenstände lagen verstreut an der Küste, nach Polizeiangaben wurden mehrere Container aufgebrochen. „Etwa 15 Motorräder wurden in der Nacht vom Strand weggerollt“, schätzte der örtliche Polizeichef Steve Speariett. Polizei und Küstenwache patrouillierten am Ufer.

Zusätzliche Beamte wurden eingezogen, um an der Küste nach weiteren angeschwemmten Waren zu suchen und neue Plünderungen zu verhindern. Außerdem verteilten die Beamten Formulare an die Schaulustigen, auf denen sie angeben sollten, ob und was sie mitgenommen haben. Wie viele Frachtgüter genau abhanden gekommen sind, ist nach Polizeiangaben noch unklar. Die Polizisten warnten die Plünderer, dass sie sich strafbar machen könnten: Rechtlich sei es nach dem Handelsschifffahrtsgesetz von 1995 untersagt, Güter von havarierten Schiffen zu entfernen und einfach zu behalten. Die Polizei warnte die Menschen außerdem, sich dem Strand zu nähern, da einige Container auch gefährliche Chemikalien enthalten, wie Batteriesäure und Pflanzenschutzmittel.

Der 62 000-Tonnen-Frachter „MSC Napoli“ war am vergangenen Donnerstag während des Orkans „Kyrill“ im Ärmelkanal in Seenot geraten. Die 26 Besatzungsmitglieder wurden in einer dramatischen Rettungsaktion mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht. Schleppboote sollten den Frachter anschließend in den Hafen von Portland in der englischen Grafschaft Dorset ziehen. Da das 275 Meter lange Schiff jedoch auseinander zu brechen droht, war der Frachter gut anderthalb Kilometer vor der südenglischen Küste in einer Bucht auf Grund gesetzt worden. So sollte ein Sinken und damit verbundene Gefahren für die Umwelt verhindert werden.

Das Schiff hatte insgesamt 2323 Container geladen, von denen 158 giftige Chemikalien enthalten sollen. Unter den von Bord gespülten Behältern seien auch mehrere mit den gefährlichen Substanzen. Das größere Problem aber seien die rund 3500 Tonnen Diesel und Schweröl an Bord. Als möglichen Grund für das Unglück nannten Medienberichte eine frühere Havarie des Schiffes: Unter anderem Namen soll die „MSC Napoli“ 2001 vor Singapur schon einmal auf Grund gelaufen sein. Unklar sei, wie stark das Schiff dabei beschädigt wurde. Doch mussten anschließend umfangreiche Reparaturen in Vietnam vorgenommen werden, hieß es. Umweltschützer fragen nun, ob die „MSC Napoli“ danach überhaupt wieder hätte fahren dürfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false