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Wer eine neue Geldbörse benötigt, muss nicht immer gleich eine kaufen. Upcycling ist im Trend. Jetzt auch bei Möbeln.

© dpa

Upcycling für die Wohnung: Vom Müll zum Möbel

Die Reste der Produktion können ein zweites Leben bekommen. Upcycling nennt sich das, wenn aus solchen Materialien hochwertige neue Produkte entstehen. So wird aus Abrissholz eine Küche und aus Furnierresten ein Stuhl. Die Kölner Möbelmesse zeigt Beispiele.

Wenn aus Bauschutt ein Regal wird oder aus Sperrholz der große Esstisch der Familie, nennt sich das Upcycling. Möbeldesigner bedienen sich aus Abfallprodukten, Produktionsresten oder gar Sperrmüll und machen aus dem vermeintlichen Ballast der Industrie etwas hochwertiges Neues. Designliebhaber blättern dafür teilweise viel Geld hin. Beschädigungen, Macken und verblasste Farben des Ausgangsmaterials bleiben oft erhalten. Viele Beispiele gibt es auf der Internationalen Möbelmesse IMM Cologne (19. bis 25. Januar) in Köln zu sehen.

Der Trend kommt im Möbelhandel an

„Anfangs waren es Start-ups aus Berlin oder Hamburg, die das Thema aufgegriffen haben“, erläutert Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie. Jungdesigner suchten Restmaterialien zusammen, die keiner mehr wollte, und formten daraus anspruchsvolle Möbel. Darüber wurde auf den Messen zwar geredet, einige Einzelstücke waren zu sehen, aber erst jetzt kommt der Trend richtig im Möbelhandel an.

„Upcycling ist in allen Branchen ein Trend, gerade im Designbereich und vor allem hier bei den Möbeln“, sagt Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Ein guter Gedanke, eine gute Idee, findet der Experte. Immer mehr Hersteller machten sich schon von Anfang an Gedanken, wie man das Material für die Möbel hinterher wieder verwerten kann.

Oder eben umgekehrt: Welches Altmaterial lässt sich nutzen, um ein ganz neues hochwertiges Produkt herzustellen? „Gerade Materialien aus dem Baubereich sind so ausgelegt, dass sie eine hohe Nutzungsdauer haben“, erklärt Buschmann.

Die neuen Besitzer freuen sich oft über die interessanten Fakten, die sie zu den Upcycling-Möbeln erzählen können: Zum Beispiel der auf der IMM Cologne vom Unternehmen CV. Nuansa Kayu Bekas präsentierte Tisch wird aus dem Holz alter indonesischer Fischerboote gefertigt. Die Boote haben laut Unternehmensangaben eine Lebensdauer von etwa 20 Jahren, dann werden sie ersetzt - und das Holz wird zur Möbelherstellung aufgekauft. Man sieht dem Tisch - wie so vielen Upcyclingstücken - an, dass er ein Vorleben hatte.

Ein ungewöhnliches Upcycling-Beispiel ist der Lounge-Sessel namens Zwei Drüber Ein Drunter von Moji Design. Er sieht aus, als wäre er mit einer Palmenmatte belegt. Es handelt sich dabei aber um ein Gewebe aus Furnierstreifen, die als Abfallprodukt in Tischlereien entstehen. Die zwei Designerinnen Stine Paeper und Angelina Erhorn haben mehrere Lagen des Gewebes unter Vakuum verformt, was eine stabile Sitzschale ergab.

„Die Furnierreste bieten eine große Vielfalt an verschiedensten Holzarten und Farben - für uns sehr spannend“, erklärt Erhorn. „Zudem sind die Streifen viel flexibler, als wenn man sie als ganzes Furnierblatt verwendet.“ Vor allem aber lockt die Kreativen die Umformung: „Die Absicht war, ein hochwertiges Produkt zu schaffen, dem man nicht mehr ansieht, dass es einmal Abfall war.“ Laut Paeper gibt es den Sessel, der auf der IMM gezeigt wird, bislang aber nur als Unikat und nicht als Serienprodukt.

Wer keinen Pelz besitzt, kann auf den Fundus der Firma zurückgreifen

Auch Dingen, die vielleicht im Schrank verstauben, lässt sich ein neues Dasein geben: Nicht aus einem Abfallprodukt, sondern aus hochwertigen Pelzen macht Schulte Design den Klappstuhl Butterfly. „Wenn Dinge alt geworden sind, heißt das ja nicht automatisch, dass sie an Wert verloren haben - ganz im Gegenteil“, erläutert der Designer Franz-Josef Schulte den Reiz des Weiterverwendens. „Ihre Werterolle hat sich vielleicht verändert oder wurde verschoben.“ Und die Menschen fühlten sich sehr verbunden mit manchen Besitztümern: „Wir hängen an Dingen, weil es Erbstücke sind, die viel zu wertvoll zum Wegwerfen sind. Oder an denen viele Erinnerungen hängen.“ Wer keinen Pelz besitzt, kann auf den Fundus der Firma zurückgreifen.

Die Pfister Möbelwerkstatt stellt aus gesammeltem Abrissholz eine Küche her. Natürlich liege auch hier der Recyclinggedanke auf der Hand: „Das alte Holz ist viel zu schade, um verbrannt zu werden oder es verrotten zu lassen“, sagt Geschäftsführer Uwe Pfister. Ihn packt bei einem Möbel aus altem Material aber auch die Neugier: „Wir machen das aus Liebe zum Material. Altholz kann Geschichten erzählen.“ Warum hat es wohl Brandflecken, warum ist es gesplittert? Und die Gebrauchsspuren weckten die Vorstellung beim Besitzer, mit welcher Mühe und mit welchen Mitteln so ein alter Balken bearbeitet wurde, meint Pfister.

Wer in solche Möbel investieren will, muss sich meist im höheren Preissegment umsehen, sagt Geismann. „Echtes Upcycling ist sehr aufwendig und teuer. In den niedrigeren bleibt das Vintage eher gefragt - also etwas, was nur so aussieht, als wäre es aus altem Material.“ Buschmann vom BUND warnt sogar vor Täuschungen: „Man muss kritisch sein, gerade im günstigen Preissegment ist vieles nur künstlich auf alt gemacht.“ Er rät aber, auch bei ausgezeichnetem Upcycling lieber noch einmal nachzuhaken, woraus genau das Möbel gemacht wurde. Ist das Ausgangsmaterial frei von Schadstoffen? „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“, sagt Buschmann. Als ein Beispiel nennt der BUND-Experte Bahnschwellen, diese könnten einst mit Teer und Holzschutzmitteln behandelt worden sein.

„Das will man im Innenraum gar nicht haben. Hier sollte ich auf jeden Fall nachfragen“, rät Buschmann. Wichtig sei das bei Importware aus Nicht-EU-Ländern. Doch er betont auch: „Upcycling ist eine gute Idee, ich will das gar nicht verteufeln.“ Es gebe aber einen Unterschied zwischen Rohstoffen und Restmaterialien aus der Produktion, die man weiter und für andere Zwecke verwenden kann, und echtem Abfall, der wirklich beseitigt werden sollte. (dpa)

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