zum Hauptinhalt
Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens tragen am 03.12.2014 in Rothenburg ob der Tauber (Bayern) einen Sarg in ein Jobcenter. Ein Mann hatte zuvor in dem Jobcenter einen 61-jährigen Mitarbeiter der Behörde erstochen.

© dpa

Urteil in Ansbach: Mann ersticht Psychologen in Jobcenter - zehn Jahre Knast

Die Tat versetzte dem malerischen Touristenstädtchen Rothenburg ob der Tauber vor knapp einem Jahr einen Schock: Im Jobcenter ersticht ein Mann einen Psychologen. Nun wurde der psychisch kranke 29 Jahre alte Täter verurteilt.

Es begann als Routine-Besprechung, doch es endete in der Katastrophe. Vor knapp einem Jahr wollen im Jobcenter von Rothenburg ob der Tauber eine Jobvermittlerin und ein Psychologe einem 29-Jährigen ein Gutachten über ihn erläutern. Demnach leidet der Mann an einer psychischen Störung und ist nur unterdurchschnittlich intelligent. Daher könne er nicht ohne weiteres in eine normale Arbeit vermittelt werden. Doch dazu kommt es nicht.

Der junge Mann hat sich schon gedacht, dass die Begutachtung nicht gerade zu seinen Gunsten ausgefallen ist. Darüber ist er so empört und verärgert, dass er während des Gesprächs eine Todesdrohung ausspricht und verschwindet. In einem Supermarkt in der Nähe kauft er sich ein Küchenmesser und ist keine zehn Minuten später wieder im Jobcenter. Er müsse das jetzt zu Ende bringen, sagt der 29-Jährige sinngemäß und sticht auf den Psychologen ein. Der 61-Jährige stirbt kurz darauf an einem Stich ins Herz. Am Mittwoch nun ist der 29-Jährige wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden.

Motiv: Verärgerung über das Ergebnis der psychologischen Begutachtung

Das Landgericht Ansbach ordnet zudem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Und der Mann muss 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Familie des Opfers zahlen. „Eine Tat derartigen Ausmaßes ist nicht zu entschuldigen“, betont der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Zur Unterbringung in der Psychiatrie sagt er, ohne Behandlung müsse man damit rechnen, dass der Mann erneut schwere Verbrechen begeht. „Die Unterbringung wird mit Sicherheit viele Jahre dauern.“ Ein Sachverständiger hatte bei dem Mann eine schizophrene Psychose diagnostiziert und ihn als gefährlich für die Allgemeinheit eingeschätzt. Der Prozess mit knapp 20 Zeugen verlief wegen der Erkrankung des Mannes in weiten Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Der Richter fasst die Geschehnisse vom 3. Dezember 2014 noch einmal zusammen: Der wegen Einfuhr von Marihuana vorbestrafte 29-Jährige habe die Jobvermittlerin bedroht und gesagt, er habe sie abstechen wollen. Nachdem der Mann das Jobcenter verlassen hatte, riefen die Behördenmitarbeiter daher die Polizei. Doch der Psychologe habe nicht wirklich damit gerechnet, dass der Mann zurückkommen und seine Drohung wahr machen würde. „Leider eine fatale Fehleinschätzung“, sagte der Richter. Als kurz darauf eine Streife am Jobcenter eintrifft, ist es bereits zu spät. In dem beengten Raum habe der Psychologe keine Chance gehabt, sich zu wehren, sagte der Vorsitzende.

Mord mit Tunnelblick

„Wuchtig“ habe der Täter auf den Mann eingestochen. „Der erste Stich traf direkt ins Herz.“ Er habe so heftig zugestochen, dass sich das Messer leicht verbogen habe. Bei der Tat habe der Angeklagte einen akuten Schub seiner Psychose gehabt. „Seine Gedanken kreisten nur noch darum, landläufig würde man sagen er hatte einen Tunnelblick.“ Es war nicht die erste Bluttat in einem Jobcenter. Ähnliche Fälle gab es bereits in den vergangenen Jahren in Frankfurt am Main und in Neuss bei Düsseldorf. Die Bundesagentur für Arbeit verbesserte daraufhin ihr Sicherheitskonzept. Metalldetektoren wie an Flughäfen oder in Gerichtsgebäuden lehnte sie jedoch stets ab.

Das Motiv des Mannes in Rothenburg sei Verärgerung über das Ergebnis der psychologischen Begutachtung gewesen. Er habe zudem Angst gehabt, stationär in die Psychiatrie eingewiesen zu werden, sagte der Richter. Noch dazu hatte er am Morgen eine Pfeife Haschisch geraucht. Die Frau des getöteten Psychologen verfolgte das Verfahren als Nebenklägerin. Sie schilderte ihren Mann als einen zurückhaltenden, besonnenen Familienmenschen, der sich liebevoll um die gemeinsamen drei Kinder gekümmert habe. Wie Gerichtssprecher Jürgen Krach aus diesem nicht öffentlichen Teil der Verhandlung berichtete, erzählte sie von großer Trauer in der Familie, die sie und ihre Kinder ein Leben lang begleiten werde.

Der Angeklagte nahm das Urteil ohne sichtbare Regung auf. Ähnlich unbeeindruckt hatte er zuvor schon den Prozess verfolgt. Meist bewegte er nur seine Augen, unter denen dunkle Schatten lagen. Doch viel Bewegungsspielraum hatte er auch nicht, denn unter seinem roten Anorak trug er einen Bauchgurt, an dem seine Handschellen befestigt waren. Als letztes Wort sagte er - wenn auch nur schwer verständlich: „Ich kann nur erklären, es tut mir leid.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false