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Panorama: Verdi gegen Wagner

Sind nicht auch Beleuchter Künstler? Die Gewerkschaft droht den Bayreuther Festspielen mit Streik

Die Kanzlerin in Bayreuth, aber kein Tristan und keine Isolde? Die Klassik-Society aus aller Welt, die teuer zahlt und keinen „Ring“ dafür bekommt? Nicht auszudenken: Die Gewerkschaft Verdi, die rund 60 festangestellte Bühnenarbeiter und über 100 Zeitkräfte vertritt, droht zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele am 25. Juli mit Streik. Das gab es noch nie.

Das Fußvolk, die Festspiele, die Gewerkschaft – wer verdient was? Der Wagnerianer kennt den Zank um Fron und Lohn aus Wagners „Rheingold“. „Träges Heer, dort zuhauf schichtet den Hort“, quält Alberich die Nibelungen – um bald darauf von Gottvater Wotan höchstselbst um den Profit geprellt zu werden. In Bayreuth ist die Sache ähnlich vertrackt: Anfang Juni hatten die Arbeitnehmer einen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gefordert, weil ihre Verträge noch aus der Ära Wolfgang Wagner stammen. Nach der Umwandlung in eine GmbH mit der Amtsübernahme von Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier im August 2008 steht die alte Betriebsvereinbarung „rechtlich auf wackligen Füßen“, sagt Barbara Schneider von Verdi Bayreuth, die außerdem von „sittenwidrigen Löhnen“ spricht. Auch die zweite Verhandlungsrunde scheiterte. Sollte bis zum 24. Juli keine Einigung mit Details und Unterschriften zustande kommen, wollen Beleuchter und Bühnenarbeiter streiken.

Uneinig ist man sich vor allem über den Zeitpunkt der Verhandlungen. Die Gewerkschaften bestehen auf einer Einigung noch vor Saisonbeginn, „da sonst die meisten Freien davon nicht profitieren“, wie Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Paul erläutert. Die Festspiele möchten dagegen im Herbst in Ruhe verhandeln. „Schließlich geht es um komplexe Angelegenheiten“, betont Rolf Bolwin, der als Vorsitzender des Deutschen Bühnenvereins für die GmbH am Verhandlungstisch sitzt. Komplex ist vor allem die Struktur der GmbH, an der die Stadt Bayreuth, das Land Bayern, der Bund sowie der Unterstützerkreis „Freunde von Bayreuth“ beteiligt sind. Unklar ist auch, ob den Bühnenarbeitern ein Vertrag im öffentlichen Dienst zusteht oder ob sie zu den Künstlern zählen.

Dass man Zeit wolle, sei keine Verzögerungstaktik, erläutert Festspiele-Sprecher Peter Emmerich. „Denn dass etwas geschehen muss, da sind sich alle Gesellschafter einig.“ Emmerich glaubt, dass Verdi Druck aufbauen will: Festspielzeit ist öffentlichkeitswirksame Zeit. Für den Notfall sei im Übrigen vorgesorgt: Emmerich geht davon aus, „dass Frau Merkel nicht vor einer dunklen Bühne sitzen wird“. Bei Verdi hält man die Herbst-Terminierung jedoch für übertrieben. „Der Zeitplan ist eng, aber machbar“, sagt Barbara Schneider. Man habe zum ersten Gespräch einen Entwurf mitgebracht, um die Verhandlungen zu beschleunigen. Doch vonseiten der Arbeitgeber sei „eher Beton als eine Brücke“ gekommen, so Verhandlungsführer Paul. Streik ist für ihn das allerletzte Mittel. Wenn die Festspiele der Gewerkschaft jedoch nicht entgegenkommen, findet Bayreuth 2009 seiner Meinung nach nur „auf dem Papier“ statt. „Fünf Wochen Streik schaffen wir locker, woanders haben wir schon 16 geschafft.“

Nun wollen auch das Orchester und der Chor mehr Geld, wie Toni Schmid, Verwaltungsrats-Vorsitzender der Festspiele, im „Spiegel“ berichtet. Man zeige sich im Tarifstreit entgegenkommend, die Erhöhung der Personalkosten könne aber nur durch Verteuerung der Karten und Erhöhung der Subventionen ausgeglichen werden. „Gieriges Gaunergezücht“, schimpft Alberich seinen Chef Wotan.

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