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Versteigerung: Saint-Exupéry als Flugschreiber

Sotheby’s versteigert das Originalmanuskript, in dem Antoine de Saint-Exupéry über seinen Absturz in der Sahara berichtet

Das Schlimmste war der Durst. Nur zwei Orangen, ein paar Kekse, etwas Schokolade und eine Thermosflasche mit Kaffee hatten sie dabei. Wo genau sie sich befanden, wussten die beiden Männer nicht, als sie am 30.Dezember 1935 in der libyschen Wüste aus den Trümmern ihres Flugzeugs krochen. Bei schlechter Sicht hatte ihre Maschine auf dem Weg von Bengasi nach Kairo mit 270 Kilometern in der Stunde eine Erhebung in der libyschen Wüste gestreift. „Es gab einen fürchterlichen Schock“, hat der Pilot den Hergang des Unglücks geschildert. Dann donnerte der Rumpf über den steinigen Grund, bis er von einer sandigen Bodenwelle gestoppt wurde. Trotz des Absturzes ging das Wrack nicht in Flammen auf. Der Pilot – es ist der später mit der Erzählung „Der Kleine Prinz“ weltberühmt gewordene Autor und Flieger Antoine de Saint-Exupéry – und sein Mechaniker André Prévot kamen mit dem Schrecken davon. Das Manuskript, das Saint-Exupéry über den Absturz für die Pariser Zeitung „L''Intransigeant“ („Die Unnachgiebige“) verfasste, kommt an diesem Mittwoch bei Sotheby’s in Paris zur Versteigerung.

„Ich weiß nicht, wie wir dieses Abenteuer, das härteste, das ich bis dahin erlebte, überstanden haben“, notierte Saint-Exupéry darin. In der Tat mussten die beiden Flieger einiges durchmachen: die Hitze, die Einsamkeit, den quälenden Durst, der ihnen die Kräfte raubte, und die Halluzinationen ihrer Seh- und Gehörsinne, die sie an den Rand der Verzweiflung brachten. Entgegen der ihnen mitgegebenen Vorschriften, entschlossen sie sich zum Marsch durch die endlosen Sanddünen. Nach drei Tagen und vier Nächten kreuzten sie den Weg einer Karawane. Ein Beduine entdeckte sie. „Es ist ein Wunder, er kommt über den Sand auf uns zu wie Gott über das Wasser“, hielt Saint-Exupéry in seinem Bericht fest. „Ein Mensch mit dem Gesicht aller Menschen, der Bruder, der uns Wasser, das kostbarste Gut der Welt, gibt.“

Eigentlich hatte Saint-Exupéry der Zeitung Exklusivreportagen über den Flug versprochen, mit dem er den zuvor von André Japy aufgestellten Rekord von drei Tagen und fünfzehn Stunden für die Strecke Paris – Saigon zu brechen gehofft hatte. Den dann in sechs Fortsetzungen auf der ersten Seite des Blattes veröffentlichten Katastrophenbericht nahm er 1939 gekürzt in sein Buch „Terre des Hommes“ (deutscher Titel: „Wind, Sand und Sterne“) auf. Unter der Überschrift „Au centre du désert“ ist es das zentrale Kapitel seiner preisgekrönten Erlebnisberichte aus der Pionierzeit der Fliegerei.

Zur bevorstehenden Versteigerung ist das handschriftlich verfasste Originalmanuskript unter einer Glasvitrine in der Pariser Sotheby’s-Filiale ausgestellt. „Es ist ein einzigartiges literarisches Dokument“, sagt Frédérique Parent, die Autographenexpertin des Auktionshauses. „ In dieser vollständigen Form ist es bisher nicht veröffentlicht worden.“ Behutsam nimmt sie den schmalen Band aus der Vitrine und schlägt ihn auf einem Tisch auf. „Der Text entstand in den Tagen, die auf das Unglück folgten“, erläutert sie beim Umblättern der leicht angegilbten, mit brauner Tinte beschriebenen und mit schwarzem und blauem Bleistift nummerierten 57 Seiten. Den Zustand der inneren Erregung, in dem sich der Autor nach dem Absturz in der Wüste befand, glaubt man schon beim Augenschein des Manuskripts zu erspüren. Es enthält unzählige Korrekturen, gestrichene Passagen, umgesetzte Absätze und Einfügungen. Die krakelige Schrift ist für Laien kaum entzifferbar. Experten wie Alban Cerisier und Delphine Lacroix, die Autoren des Versteigerungskatalogs, meinen indes, dass die Reflexionen über die existentielle Erfahrung des Absturzes die Inspiration für den „Kleinen Prinzen“ lieferten.

Für Saint-Exupéry, der am 31. Juli 1944 mit seinem Aufklärer, vermutlich infolge eines Abschusses durch den deutschen Jagdflieger und späteren Sportreporter des ZDF, Horst Rippert, über dem Mittelmeer verschwand, war die Bruchlandung in der Sahara nicht die erste Havarie, die er literarisch verarbeitete. Als Testpilot war er schon einmal mit einem Wasserflugzeug abgestürzt und nur knapp dem Tod entkommen. 1938 zog er sich bei einem verunglückten Start in Guatemala schwere Verletzungen zu, von denen er sich nie mehr ganz erholte. Der Versicherungsschein für diesen Flug, mit dem er einen Rekord für die Strecke New York – Feuerland aufstellen wollte, gelangt mit anderen Erinnerungsstücken, darunter zwei von ihm signierten Originalausgaben seines Kriegsbuchs „Flug nach Arras“, ebenfalls zur Versteigerung. Um die 300 000 Euro hofft die „Association Saint-Exupéry“ aus dem Verkauf zu erzielen. Der Erlös soll das Startkapital zur Gründung einer „Antoine de Saint-Exupéry-Stiftung für die Jugend“ bilden.

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