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In Hannover gingen Wohnungseinbrüche zurück, weil Täter Angst bekamen.

© picture alliance / dpa-tmn

Was Täter abschreckt und was nicht: Die Angst, erwischt zu werden

Die Länge der Strafe spielt keine Rolle, wenn der Täter glaubt, er wird nicht erwischt. Wie Konservative von der Kriminalstatistik widerlegt werden. Und was gegen Wohnungseinbrüche hilft.

Von Andreas Oswald

Es ist schon starker Tobak, den der britische „Economist“ seinen konservativen Lesern zumutet. Längere Haftstrafen verhindern keine Kriminalität, heißt es da. Was Kriminelle tatsächlich abschrecke, sei die unmittelbare Angst, bei der Tat erwischt zu werden.

Konservative sind, was die Kriminalität angeht, in den vergangenen Jahren in der Tat durch die Realität gründlich widerlegt worden. Ihre pessimistischen Warnungen in den 90er Jahren vor steigender Kriminalität haben sich nicht bewahrheitet. Auch ihre These, dass der Zerfall der traditionellen Kleinfamilie und der damit verbundene kulturelle Niedergang Ursache steigender Kriminalität sei, bewahrheitete sich nicht.

Die Kriminalität sinkt in der gesamten westlichen Welt

Nie gab es in der westlichen Welt so viele Alleinerziehende wie heute und so viele unverheiratete Paare, die Kinder aufziehen, die ganz viel am Computer spielen und laute Musik hören. Gleichzeitig sind die Kriminalitätsraten in der gesamten westlichen Welt in den letzten 20 Jahren drastisch gesunken. Auch die politische Gegenseite kommt etwas in Erklärungsnot mit ihrer These, dass zunehmende Ungleichheit die Ursache für steigende Kriminalität sei. Dass die Kriminalität gesunken ist, obwohl die soziale Ungleichheit steigt, passt nicht gut ins Bild.

Noch in den 90er Jahren gab es in Deutschland jährlich mehr als 600 Tötungsdelikte, heute sind es weniger als 150. Ein ähnliches Bild zeigt sich in allen westlichen Ländern. In den USA liegt die Mordrate auf einem 30-Jahre-Tief. In England und Wales gab es im vergangenen Jahr 69 bewaffnete Raubüberfälle. In den 90er Jahren waren es jährlich um die 500, schreibt der „Economist“.

Ein Faktor ist die Alterung der Gesellschaft. Gewalt ist überwiegend ein Delikt junger Männer. Ihr Anteil sinkt. Aber die Alterung erklärt nicht alles.

Allumfassende Kameraüberwachung der gesamten Öffentlichkeit ist sehr effektiv

Der deutsche Kriminologe Christian Pfeiffer bestätigt den Befund des „Economist“, dass härtere Strafen nicht abschreckend wirken. „Die Strafe spielt keine Rolle, solange die Täter glauben, sie werden nicht erwischt“, sagt Pfeiffer. Als Beispiel führt er an, dass vor zehn Jahren nur etwa jeder dritte Handyraub unter Jugendlichen angezeigt wurde. Heute kommen sympathische Kriminalbeamte in die Schulklassen und bitten die Schüler, solche Taten anzuzeigen, damit sie verfolgt werden können. Heute werden zwei von drei Taten angezeigt. Das schreckt die Täter ab, weil sie realistisch befürchten müssen, dass sie anschließend zur Rechenschaft gezogen werden.

Allumfassende Kameraüberwachung hat dazu geführt, dass Kriminelle damit rechnen müssen, bei ihrer Tat erkannt zu werden. Berichte in den Medien über spektakuläre Fälle, in denen Täter durch Fahndungsfotos einer Überwachungskamera aufgespürt werden konnten, tragen dazu bei. Das gilt auch für Medienberichte, dass Täter auch noch nach 20 Jahren durch eine DNA-Probe überführt werden können.

Um Kriminellen Angst zu machen, dass sie erwischt werden, ist Prävention wichtig. Dazu gehören auch frühzeitige Ansprachen von potenziellen Intensivtätern durch speziell geschulte Beamte. Das gibt ihnen das Gefühl, dass sie beobachtet werden. Wer sich beobachtet fühlt, hat Angst, erwischt zu werden.

Wie Polizeiarbeit Wohnungseinbrüchen vorbeugt

Wohnungseinbrüche sind neben Cybermobbing der einzige Bereich, in dem die Fälle steigen. Gerade hier sei Prävention die einzige Chance, sagt Pfeiffer. In München, wo eine betuchte Bevölkerung sehr viel mehr Geld in teure Sicherheitsfenster, -türen und vor allem -verandatüren investiere, gingen die Raten zurück, während sie im Norden weiter stiegen. Falsch sei auch, Goldbarren oder Bargeld zu Hause zu lagern. Genau dieses Sparverhalten der durch die Bankenkrise verängstigten Bürger lockt die Täter und macht Einbruch zu einem boomenden Geschäft.

Wichtig ist nach Angaben Pfeiffers die Polizeiarbeit. In Hannover wurde die Aufklärungsrate durch besondere Anstrengungen erhöht. Parallel dazu sank die Zahl der Wohnungseinbrüche, weil Täter merkten, dass sie leichter erwischt werden.

Konservative in den USA behaupten, der Rückgang der Kriminalitätsrate sei auf die längeren Haftstrafen zurückzuführen, die in den letzten 20 Jahren zunehmend verhängt werden. In den USA hat sich daher der Anteil der Bevölkerung, der im Gefängnis sitzt, erhöht. Aber in Deutschland und den Niederlanden sinkt die Kriminalität in gleichem Maße, hier dagegen sinkt die Zahl der Gefangenen dramatisch, die Gefängnisse leeren sich. Das passt nicht zur These.

Die meisten Gefangenen in den USA sind Drogenabhängige, schreibt der „Economist“. Jeder von ihnen kostet den Steuerzahler jedes Jahr so viel wie ein Studienplatz in Stanford. Präventive soziale und medizinische Betreuung wäre bedeutend kostengünstiger und würde die Beschaffungskriminalität senken – und damit nicht zuletzt die Zahl der Wohnungseinbrüche. Andreas Oswald

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