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Panorama: Wuppertal entgeht knapp Katastrophe

WUPPERTAL . Bei der Explosion in einer Produktionsanlage für Pflanzenschutzmittel sind das Wuppertaler Bayer-Werk und seine Anwohner offenbar nur knapp einer Katastrophe entgangen.

WUPPERTAL . Bei der Explosion in einer Produktionsanlage für Pflanzenschutzmittel sind das Wuppertaler Bayer-Werk und seine Anwohner offenbar nur knapp einer Katastrophe entgangen. "Angesichts der Wucht der Explosion hätte das Unglück auch anders enden können", sagte Bayer-Werksleiter Heinz Bahnmüller gestern in Wuppertal.

Bei der Detonation und dem anschließenden Großbrand am Dienstag nachmittag hatten 91 Menschen durch Rauchvergiftungen und herumfliegende Glassplitter leichte Verletzungen erlitten. 31 Menschen, darunter sechs Kinder, mußten in Krankenhäusern behandelt werden. Nach Angaben der Behörden bestand keine Gesundheitsgefahr durch giftige Gase. Die Ursache der Explosion blieb zunächst unklar.

Am Tag nach dem schwersten Zwischenfall im 1863 gegründeten Elberfelder Bayer-Werk waren vor allem Glaser und Dachdecker vollauf beschäftigt: Die Explosion im Kesselhaus 218 verwüstete das Werksgelände in einem Umkreis von zweihundert Metern. Den Schaden allein im Werk schätzte Bahnmüller auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Hunderte Scheiben gingen zu Bruch, der Boden war von Glasscherben übersät. An den Häusern im unmittelbar benachbarten Wohngebiet hatten die Handwerker noch in der Nacht die geborstenen Fensterscheiben erneuert und beschädigte Dächer repariert.

"Von dem Knall bin ich vom Stuhl gefallen", erzählte ein Metzger, der während der Explosion gerade mit seiner Frau am Kaffeetisch saß. Die Glassplitter seien bis auf den Tisch geflogen. Wer sich während des Brandes nicht in der Wohnung verbarrikadiert hatte, kam lange nicht zu seinem Haus. "Jetzt bin schon zwölf Stunden unterwegs, und nun komme ich nicht einmal in meine Wohnung", klagte eine Anwohnerin. Eine Mutter sorgte sich um ihr Kind: "Ich kann meine Tochter per Telefon nicht erreichen. Jetzt weiß ich gar nicht, was los ist." Die Bayer AG ließ am Mittwoch Zettel an die Anwohner auf deutsch und türkisch verteilen und erklärte, wie Betroffene ihre Forderungen geltend machen können.

Die Unglücksursache blieb zunächst offen, weil die Brandexperten das zerstörte Gebäude im Werk noch nicht betreten konnten. "Wir werden mit den Behörden und der Staatsanwaltschaft zur Klärung der Ursache kooperativ zusammenarbeiten", versicherte Bahnmüller. In der betroffenen Anlage war nach einem erfolgreichen Probelauf erst am Unglückstag eine neue Produktion aufgenommen worden. Als reine Spekulation bezeichnete der Werksleiter, daß eine defekte Gasleitung oder die Explosion eines Kessels die Ursache gewesen sein könnte.

Die schlimmsten Folgen der gewaltigen Detonation wurden von einer stabilen Brandschutzmauer rund um das betroffene Produktionsgebäude aufgefangen. Die Bayer AG denkt nun an weitere Schutzmaßnahmen: "Das war eine Explosion, die einiges Nachdenken auslösen wird", erklärte Bahnmüller. Das Werk liegt direkt neben einer vielbefahrenen Bundesstraße.

Nach dem Brand waren übelriechende Qualmwolken über Teile der Stadt gezogen. Viele Bewohner klagten über Reizungen der Haut und der Atemwege und hielten sich Taschentücher vor den Mund. Doch das Landesumweltamt Essen konnte nach ersten Messungen bald Entwarnung geben. Die Untersuchungen hätten nur erhöhte Werte von Salzsäure ergeben, die aber unterhalb der Gefährdungsschwelle lagen.

Weil durch die Explosion auch die Oberleitung einer nahegelegenen Bahnstrecke beschädigt worden war, mußte der Bahnverkehr rund um Wuppertal am Dienstag abend komplett gestoppt werden. Auch die Schwebebahn, die mitten durch das Bayer-Werksgelände fährt, stellte ihren Betrieb kurzfristig ein. Dadurch kam es in und um Wuppertal zu einem Verkehrschaos. Erst in der Nacht konnten der Nah- und Fernverkehr ihren Betrieb wieder aufnehmen.

JENS PETER IVEN

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