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Zugunglueck

© dpa

Zugunglück: Belgien trägt Trauer

Zwei Regionalbahnen sind bei Brüssel aufeinandergeprallt, 18 Menschen sind tot – ein Lokführer hatte ein Stoppsignal übersehen.

Die Bilder erschüttern ganz Belgien. Flanderns Ministerpräsident Kris Peeters erklärte während einer USA-Reise, dies sei „ein neuer schwarzer Tag für Flandern“. Belgiens Ministerpräsident Yves Leterme brach eine Balkanreise ab. Er und ein tief bestürzter König Albert II. fuhren zum Unglücksort.

Die beiden Regionalbahnen haben sich ineinander verkeilt und sehen aus, als ließen sie sich nie mehr trennen. Zwei Waggons sind aufgetürmt, darunter ist ein weiterer eingeklemmt. Überall liegen Metallteile herum, einige Waggons sind entgleist und haben die Oberleitung abgerissen. An einem Zug brennt noch das Rücklicht. Aus den Trümmern der beiden vollbesetzten Züge, die am Montagmorgen bei Brüssel im Berufsverkehr zusammen- stießen, bergen Retter 18 Tote. 162 Fahrgäste wurden verletzt, elf davon schwer. „Normalerweise dürften jetzt keine Opfer mehr in den Waggons liegen“, zog der Gouverneur von Flämisch-Brabant, Lodewijk De Witte, am Abend vorläufig Bilanz.

Das Unglück ereignete sich gegen 8 Uhr 30 zur Hauptverkehrszeit nahe des Bahnhofs des Städtchens Halle. Halle ist ein Vorort von Brüssel und liegt jenseits der Stadtgrenzen in Flämisch-Brabant. Der Eisenbahngesellschaft SNCB zufolge waren zwischen 250 und 300 Fahrgäste in den beiden Zügen, viele von ihnen auf dem Weg zur Arbeit in der Hauptstadt.

Nach dem schwersten Zugunglück Belgiens seit 1974 steht das Land unter Schock. „Es war, als wenn die Erde bebt“, sagt der 21-jährige Augenzeuge Wire Leire. Er wohnt nur rund 50 Meter von den Bahngleisen entfernt. „Der laute Knall hat mich geweckt.“ Um 8 Uhr 30 fuhren die Züge ineinander und ließen die Anwohner aufschrecken.

„Da gab es ein großes Licht und eine Explosion“, erzählt Nathalie Evenepoel. Anwohner kamen aus den kleinen Reihenhäusern neben dem Bahngleis gelaufen und versuchten zu helfen. Viele Opfer befreiten sich aus eigener Kraft aus den Zügen, zerschlugen die Fenster und kletterten aus den Zügen. Blutüberströmte Menschen mit Kopfverletzungen und Schnittwunden irrten im Schneegestöber und bei Minusgraden über die Gleise. „Ich habe Decken und Stühle gebracht“, sagt Leire, „ich habe getan, was ich halt tun konnte.“ Polizei und Feuerwehr waren nach wenigen Minuten am Ort – doch vielen Fahrgästen konnten sie nicht mehr helfen. Schnell ist die Unglücksursache klar: Menschliches Versagen. Der Lokführer des aus Löwen kommenden Regionalzugs hat ein Stoppsignal übersehen. Vielleicht war auch das eisige Winterwetter mit Schnee und Nebel Mitursache für seinen Fehler. Vor diesem Hintergrund dürfte das Unglück eine neue Debatte über die Sicherheit des belgischen Bahnverkehrs auslösen. Verspätungen und überfüllte Züge sind ebenso an der Tagesordnung wie Pannen und technische Defekte. Kleinere Unfälle passieren häufiger. Zuletzt starb eine 26-jährige Zugbegleiterin, als im November 2009 in Mons ein Zug entgleiste, der Lokomotivführer wurde schwer verletzt. Die Gewerkschaften werfen der Bahngesellschaft SNCB eine schlechte Ausbildung der Lokführer vor, die zudem zu viele Überstunden leisten müssten.

Es ist nicht das erste Mal, dass die belgische Staatsbahn nach einem Unfall menschliches Versagen eingestehen muss. Bei einem Bahnunfall vor neun Jahren bot sich ein ähnliches Bild: Im März 2001 übersah in Pecrot südöstlich von Brüssel der Lokführer eines leeren Zuges ein Stoppsignal. Der Zug passierte hupend mehrere Bahnübergänge, deren Schranken geöffnet waren, und raste auf dem falschen Gleis der zweispurigen Strecke einem vollbesetzten Nahverkehrszug entgegen. Die Bilanz: Neun Tote und 12 Verletzte. Damals konnte die SNCB den Lokführer nicht erreichen, das Personal versuchte noch, den Fahrstrom auf der Strecke abzustellen – zu spät.

Ein Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass eine Reihe von Pannen im Sicherheitsablauf zu dem Unfall führte. Die Bahn musste 100 000 Euro Strafe zahlen und gelobte Besserung, die Kommunikation zwischen den Zügen wurde verbessert und das Personal mit Handys ausgestattet. mit dpa/AFP/ddp

Gerd Zeimers[Brüssel]

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