Neue Sky-Serie „Mary & George“: Mein Sohn im Bett des Königs
In der Mini-Serie „Mary & George“ spielt Julianne Moore eine verarmte Landadelige des 17. Jahrhunderts, die sich und ihren Sohn an den englischen Königshof bringt.
Ganz neu ist der Trend nicht, Historiendramen nicht nur mit wallenden Kostümen und ordentlich Patina an den Kulissen, sondern auch einer guten Portion Sex zu erzählen. Mit „The Tudors“ mit Henry VIII. – dauer-horny und ebenso oft in Intrigen verwickelt – hielt schon vor über 15 Jahren die Freizügigkeit Einzug ins Genre, es folgten unterschiedlich heiße Nachahmer von „Die Borgias“ bis „Outlander“, und spätestens mit „Bridgerton“ wurde der Blick in die Schlafzimmer des Adels selbst im Mainstream zum Alltag. Doch die Miniserie „Mary & George“, die ab dem 7. März bei Sky und Wow zu sehen ist, ist nun doch viel mehr als bloß eine unter vielen.
Beim Titel gebenden Duo handelt es sich schon mal nicht um ein Liebespaar, sondern um Mutter und Sohn. Wie besonders die Beziehung dieser beiden ist, lässt bereits Georges Geburt im Jahre 1592 erahnen. Erst plumpst das Baby auf den Boden, dann bittet Mary Villiers (Julianne Moore), die Nabelschur nicht zu durchtrennen. „Fürs erste“, sagt sie, doch es zeigt sich bald, dass sie und ihr Zweitgeborener (Nicholas Galitzine), der mit Blick auf Status oder Erbsicherung innerhalb der Familie genauso wie gesellschaftlich als eher nutzlos erachtet wird, auch Jahre später noch eine ganz eigene, unauflösbare Verbindung zueinander haben.
King James I. liebt hübsche Jünglinge
Weil sie selbst aus alles andere als royalen Verhältnissen stammt, der Ehemann und Kindsvater recht früh das Zeitliche segnet und der älteste Sohn eher verhaltensauffällig als leicht unter die Haube zu bringen ist, entwickelt Mary einen unbändigen Ehrgeiz, nicht nur ihren komfortablen Lebensstandard zu sichern, sondern idealerweise in der besseren Gesellschaft auch noch weiter aufzusteigen.
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Dass George, der zwischenzeitlich auf dem Kontinent nicht nur Französisch, sondern auch die Freuden der gleichgeschlechtlichen Liebe gelernt hat, mit blendendem Aussehen gesegnet ist und König James I. (Tony Curran) höchstens die Jagd noch mehr liebt als hübsche Jünglinge, kommt ihr dabei sehr entgegen.
Doch dem Sohnemann Einfluss im Schlafzimmer des Regenten und darüber hinaus zu verschaffen, erweist sich in der Praxis nicht nur deswegen als schwierig, weil eigentlich dessen Dauer-Liebhaber, der Earl of Somerset (Laurie Davidson), fast alle Strippen zieht. Sondern auch weil Mary selbst sich so mancher Verschwörungen und Manipulationen erwehren muss, nicht selten mit Hilfe einer cleveren Sexarbeiterin (Niamh Algar).
Auch wenn es nicht so klingen mag: Historisch betrachtet hat „Mary & George“ erstaunlich viel Hand und Fuß. Als Vorlage für die hier vom Dramatiker und „Killing Eve“-Mit-Autor D.C. Moore in sieben Episoden erzählte Geschichte dient das Sachbuch „The King’s Affair“ von Benjamin Woolley. Etliche Historiker*innen sehen nicht nur die sexuellen Vorlieben des Königs als gesichert an, sondern auch die Tatsache, dass Georges Aufstieg zum 1st Duke of Buckingham eng damit verknüpft ist.
Was Moore und das Regie-Team (zu dem neben dem südafrikanischen Queer Palm-Gewinner Oliver Hermanus auch der Deutsche Florian Cossen gehört) nun daraus machen, ist eine spannende Gratwanderung. Weder ist „Mary & George“ eine schwülstige Seifenoper wie die eingangs erwähnten „Tudors“ noch an eskapistisch-unten Geschichts-Revision à la „Bridgerton“ interessiert.
Am ehesten erinnert die Serie im bösen Tonfall und dem eiskalten Bloßstellen menschlicher Abgründe wohl an Yorgos Lanthimos‘ Oscar-Gewinner „The Favourite“, mit einem noch ums Vielfache gesteigerten Queerness-Faktor.
An dessen künstlerische Ambitionen reicht „Mary & George“ nun zwar nicht heran, fährt aber trotzdem einige Schauwerte auf, von prächtigen Kostümen über nackte Männerkörper bis hin zu zahlreichen Szenen, die ausschließlich vom Score und der Kameraarbeit leben. In allen anderen sind derweil jede Menge Dialoge zu hören, die gerade in ihren derben Schimpftiraden vielleicht allzu sehr auf eine Zweitverwertung als Meme schielen („Scottish sodomite semen suckers“), aber trotzdem zu flott und pointiert geschrieben sind, um keinen Spaß zu machen.
Und wem das noch nicht Grund genug zum Einschalten ist: Julianne Moore als durchtrieben kalkulierender Übermutter ist einmal mehr brillant, und Nicholas Galizitine („Royal Blue“) als ihr mindestens anfangs deutlich naiverer und zum Drama neigender Spross schlägt sich kaum schlechter.
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