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Neuer Name, alte Probleme: Community Dyke*March läuft am Freitag erstmals durch Berlin
Ein neues Team organisiert in diesem Jahr eine Demonstration für lesbische Sichtbarkeit. Doch wieder gibt es in der Szene Streit um Palästina und Israel.
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Es ging fix: Nur wenige Stunden, nachdem das Orga-Team des Dyke*March Berlin im Juni bekannt gegeben hatte, diesen aus „gesundheitlichen und organisatorischen Gründen“ in diesem Jahr nicht durchführen zu können, kündigte eine neue Gruppe eine Demonstration an. An diesem Freitag, dem traditionellen Termin am Vortag des großen Hauptstadt-CSDs, will der Community Dyke*March in Kreuzberg und Neukölln auf die Straße gehen.
Gegründet wurde die Gruppe von engagierten Dykes, „die sich unabhängig und basisorganisiert zusammengeschlossen haben“, wie das Team dem Tagesspiegel mitteilt. Inzwischen machen rund 40 Personen mit, eine Verbindung zur Orga-Gruppe des alten Dyke*March bestehe nicht.
Auf die Frage, was die neue Gruppe bewogen habe, den Protest zu organisieren, schreibt sie: „Wir wollen uns solidarisch mit allen Dykes* der Welt zeigen, denn in Zeiten zunehmender Faschisierung und des Anstiegs queerfeindlicher Gewalt ist es wichtiger denn je, sichtbar zu sein und gemeinsam unsere Stimmen gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt zu erheben.“
Es gehe darum, die historischen Kämpfe der lesbischen Community wertzuschätzen und daran zu erinnern, dass so mancher Kampf noch nicht gewonnen sei. Passend zum intersektionalen Selbstverständnis wurde das Motto „No dyke* is free until every dyke* is free“ gewählt.
In ausführlichen Instagram-Statements hat das Team seine Haltung in den vergangenen Wochen weiter konkretisiert. Es wendet sich von Rassismus über Antisemitismus, Klassismus und Bodyshaming bis hin zu Neurodivergenz-Feindlichkeit gegen nahezu alle bekannten Diskriminierungsformen.
Wir solidarisieren uns mit allen FLINTA*, die weltweit unter patriarchaler und autoritärer Unterdrückung leiden.
Das Orga-Team des Community Dyke*March
Weiter heißt es: „Wir solidarisieren uns mit allen FLINTA*, die weltweit unter patriarchaler und autoritärer Unterdrückung leiden. Sei es in Palästina unter Apartheid und systematischer Auslöschung, im Sudan und der Demokratischen Republik Kongo unter brutaler Kriegsgewalt oder auch in Iran und Afghanistan unter institutionalisierter, geschlechterspezifischer Gewalt.“ Die anschließende Auflistung umfasst auch Menschen in Ländern wie der Ukraine, Mexiko und Uganda. Sie wird als nicht abschließend bezeichnet. Hamas-Geiseln gehören bisher nicht dazu.
Cis Männer werden gebeten, fernzubleiben
An der propalästinensischen Ausrichtung der Gruppe hat sich unterdessen Kritik entzündet. So vermisst etwa das LGBTIQ-Bündnis gegen Antisemitismus eine klare Distanzierung von terroristischen Positionen wie denen der Hamas oder „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP). Die Bekenntnisse des Community Dyke* Marches gegen Antisemitismus reichen dem Bündnis nicht. Es folgerte Anfang der Woche auf seinem Instagram-Account, dass die Demo „kein sicherer Ort für jüdische Lesben, Dykes und alle anderen Menschen aus der LGBTIQ+ Community“ sei.
Der Post wurde auch von der Gruppe Dykes, Women & Queers against Antisemitism geteilt, die im vergangenen Jahr schon über ähnliche Fragen mit dem Team des Dyke*Marches aneinandergeraten war. Vor einer Woche stellte Dykes, Women & Queers dem Team des neuen Marsches eine Reihe von Antisemitismus-bezogenen Fragen, für die man sich dort bedankte, aber bisher nicht antwortete.
Der Community Dyke* March ist entgegen den Beteuerungen des Community Dyke*March Teams keine sichere Veranstaltung für jüdische Lesben und Dykes.
Dykes, Women & Queers against Antisemitism
Auch Dykes, Women & Queers against Antisemitism sehen die Demo trotz der Beteuerungen der Organisierenden, dass jüdische Teilnehmende willkommen sind, nicht als sicheren Raum. Denn „zum einen scheuen sie selbst nicht vor antisemitisch konnotierten Rhetoriken zurück, zum anderen tobt in der Kommentarspalte offen der Hass auf Juden und Israel“, schreiben sie dem Tagesspiegel. Deshalb wolle die Gruppe nicht mitmachen beim Community Dyke*March, aber vor Ort sein, um „jüdischen Queers für Unterstützung und Sicherheit“ zur Verfügung zu stehen.
Im vergangenen Jahr startete die Demo mit einem lautstarken Palästina-Block, Demonstrierende mit Davidstern-Regenbogenflaggen wurden auf der Strecke wiederholt angefeindet.
Die Flagge der jüdischen Queers wird diesmal nicht zugelassen, weil „dieses Symbol seit Jahren von verschiedenen politischen Akteur*innen instrumentalisiert“ werde. Etwa um Besatzung, Gewalt und Krieg gegen palästinensische Menschen zu rechtfertigen. So schreibt das Orga-Team der Demo es am Donnerstag in einer Instagram-Story und revidiert damit seine zwei Tage vorher vertretene Position zu der Flagge. In der aktuellen Kriegssituation in Gaza werde der Davidstern auf der Prideflagge „von vielen als Symbol der Zustimmung oder Verharmlosung dieser Gewalt wahrgenommen“, so das Statement weiter.
Auch Nationalflaggen sind nicht erlaubt bei der Demo. Aber: „Ausnahmen gelten für Flaggen, die im Kontext von anti-kolonialen, antiimperialistischen oder widerständigen Bewegungen stehen“, schreibt das Team dem Tagesspiegel. Die Palästina-Flagge stellt eine solche Ausnahme dar.
Es wird auch einen Palästina-Solidaritätsblock in der Demo geben. Außerdem hat sich der D-Dur-Dykes-Chor mit einer eigenen Sektion angekündigt, es gibt zudem einen Drag- und einen Antifa-Block und weitere. Der von Künstler*in Toni Karat angekündigte Block unter dem Motto „Dykes* And Queers Against The Patriarchy Strength Through Diversity“ wurde unterdessen laut Orga-Team einvernehmlich abgesagt.
Starten soll der Protestzug am kommenden Freitag um 16 Uhr am Oranienplatz, um nach mehreren Redebeiträgen ab 17 Uhr über die Adalbertstraße, den Kottbusser Damm und die Karl-Marx-Straße durch die Wildenbruchstraße und Bouchéstraße zum Treptower Park zu laufen.
Dabei sind anders als beim alten Marsch keine cis-männlichen Teilnehmer erwünscht, sie werden gebeten, „solidarisch fernzubleiben“.
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