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Girls' Day: Raus aus der Schublade der Geschlechterklischees

Janina und Paul haben keine Lust auf Geschlechterklischees: Sie hilft bei der Feuerwehr, er geht zum Ballettunterricht.

Einen Girls’ Day hat Janina Gluch noch nie mitgemacht, zumindest keinen offiziellen. Aber die 14-Jährige engagiert sich schon seit zwei Jahren bei der Jugendfeuerwehr Rudow – und hat somit jeden Montag ihren persönlichen Einblick in einen klassischen Männerberuf.

Heute ist Janina beim Wasser- und Schlauchtrupp: „Hinter uns muss man sich einen See vorstellen, neben uns ein brennendes Haus“, sagt sie und zeigt auf den Hof hinter dem Feuerwehrgebäude, auf dem ein rotes Einsatzfahrzeug steht und ansonsten alles friedlich ist. Janina und die 20 anderen Mitglieder der Jugendfeuerwehr Rudow proben an diesem Frühlingsnachmittag für den Ernstfall – fünf von ihnen kuppeln mehrere kurze Schlauchteile zu einem langen zusammen, damit das Wasser fließen kann.

Die Jugendlichen arbeiten schnell und gut gelaunt, und die 14-Jährige steht mittendrin, auf ihre blonden Haare hat sie einen Helm gesetzt. Janina ist eines von sechs Mädchen, das jeden Montag zu den Treffen in Rudow kommt – mit den rund 15 Jungs dort versteht sie sich gut: „Ich habe auch früher schon gerne mit Jungs gespielt“, sagt sie. An der Feuerwehr gefallen Janina die gute Gemeinschaft und die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. In Marzahn können am heutigen Girls’ Day 25 Schülerinnen testen, ob das Brändelöschen auch für sie zur Leidenschaft wird, und zum Berufswunsch. „Später würde ich gerne bei der Feuerwehr oder der Polizei arbeiten“, sagt Janina. Und man kann sich vorstellen, dass sie mit ihrer ruhigen Art in beiden Jobs auch in chaotischen Momenten den Überblick behält.

Diskriminiert habe sie sich in der Feuerwehr noch nie gefühlt. Das bestätigt auch der Jugendfeuerwehrwart Martin Otter: „Die Jungen geben sich eher Mühe, den Gentleman zu spielen.“ Auch für Janinas Familie sei es kein Problem, dass sie keinen „typischen“ Mädchenhobbies nachgehe. An ihrer alten Schule habe sie dagegen schon häufiger zu hören bekommen, dass das mit der Feuerwehr doch was für Jungs sei. „Aber ich bin selbstbewusst und lasse mich von so was nicht ärgern“, sagt Janina, die auch Taekwondo macht – und es in dieser Kampfsportart schon zum schwarzen Gürtel gebracht hat.

Paul Walker hingegen steht einmal in der Woche mit lauter Mädchen in der Ballettschule „Center of Dance“ in Prenzlauer Berg. „Einmal ist auch ein anderer Junge dagewesen, der ist dann aber nicht mehr wiedergekommen“, sagt der Neunjährige. Das Ballettfieber hat Paul im vergangenen Oktober gepackt. Damals fing er an, mit seiner Mutter regelmäßig Tanzvorstellungen zu besuchen. Seit einigen Wochen trainiert er nun an der Stange oder am Hochbett in seinem Zimmer. „Ich habe durch den Unterricht ein viel besseres Körpergefühl bekommen“, sagt Paul, steht sehr gerade aus seinem Stuhl auf und bildet mit seinen Füße ein V – nimmt also die erste Position ein. Nach dem Unterricht bleibe er oft noch im Studio, um sich von den älteren Schülern ein wenig technisches Können abzugucken.

Paul spielt auch regelmäßig Basketball. Am Ballett gefalle ihm aber, dass man im Tanz auch ausdrücken könne, dass man traurig sei: „Beim Basketball geht das nicht, da wird man als Weichei bezeichnet.“ In der Schule wurde Paul anfangs wegen seines Ballettinteresses geärgert. Aber dann habe er seinen Klassenkameraden etwas vorgetanzt. Dadurch hätten die anderen gemerkt, wie schwer und anstrengend das sei: „Seitdem werde ich nicht mehr ausgelacht.

Wenn Jungs Bauchtanz oder Ballett machen wollen und Mädchen lieber zum Fußball gehen als mit Puppen spielen, sind nach Ansicht der Philosophin Heike Weinbach nicht nur die Eltern gefragt, sondern auch ein „geschlechterfluides“ Umfeld. „Eltern sollten offen für die konkreten Wünsche ihres Kindes sein und diese aufwerten und verstärken.“ Es komme aber darauf an, dass Kinder, die ein „geschlechteruntypisches“ Hobby ausüben, auch in der Kita, der Schule sowie von Freunden, Verwandten und Freizeiteinrichtungen unterstützt werden. „Ansonsten werden Kinder und Jugendliche schnell als Ausnahmen und von der Norm abweichend deklariert.“ Deshalb müssten alle Beteiligten den jungen Menschen ein neues Denken vermitteln und ihnen die Vielfalt an Möglichkeiten als Ressource öffnen.

Pauls Großmutter Kornelia Krüger hat übrigens einen Tipp für alle Jungs, die auch gerne Ballett machen möchten: „Sie sollten sich von ihren Eltern eine Ballettkarte wünschen und gemeinsam mit ihnen in die Vorstellung gehen.“

Gemeinsam mit dem Familienbeirat lädt der Tagesspiegel zum Online-Dialog über „Familie in Berlin.“ Wer mitreden will: www.zusammenleben-in-berlin.de“

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