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Peter Wee, Kopf der Peranakan-Geimeinde in Singapur

© Prodita Sabarini, pa

Singapur: Malaiisch gewürzt

Die Peranakan-Minderheit in Singapur ringt um den Erhalt ihrer Kultur.

Der freundliche Mann im chinesisch-bunten Seidenhemd bietet Jasmintee und Aprikosenkekse an, „heute morgen selbst gebacken“. Aus dem Hintergrund seines ehemaligen Antiquitätenladens, der noch immer wie eine Schatzkammer des alten Asiens wirkt, dringen malaiische Klänge. Peter Wee legt zwei dicke Fotoalben auf einen zierlichen Tisch und fängt an zu erzählen: von der Hochzeit seiner Eltern, die von deren Eltern und „natürlich einem Astrologen“ arrangiert worden war, von den Nonyas und ihren legendären Küchengeheimnissen, von der alten Zeit, in der „seine“ Leute großen Einfluss hatten in Singapur.

Peter Wee, den sie alle nur „Baba“, Vater, nennen, ist Präsident der Peranakan-Gemeinde im Stadtstaat. Und er ist ein Storyteller, ein Geschichtenerzähler in bester orientalischer Tradition: witzig, eloquent und ausschweifend. Er macht Raum und Zeit vergessen, und auf einmal sind wir geistig mitten im quirligen Singapur der Händler und Kulis, der verräucherten Teehäuser und Opiumhöhlen.

Die Wees leben erst in vierter Generation auf der Insel vor der Halbinsel, wie die alten Chinesen Singapur genannt haben. Vorher war sein Clan über Jahrhunderte an der malaiischen Küste ansässig, in den Straits Settlements, wie die Siedlungen zwischen Penang und Malakka in britischer Kolonialzeit hießen. Reich waren sie, die Straits-Chinesen, und bestens vernetzt mit ihren Landsleuten an allen asiatischen Küsten. Große Häuser haben sie geführt, mit eigenen Tempeln und reichlich Personal, zuerst auf der Halbinsel, später auch in Singapur. Und sie haben in Malaya, das heute Malaysia heißt, so lange residiert, dass sich ihre aus China mitgebrachte Lebensweise irgendwann und unweigerlich mit Teilen der einheimischen Kultur vermischte.

Längst sind die meisten Peranakan-Angehörigen Christen

Es entstand die Peranakan-Kultur, im Volksmund „Baba-Nonya-Kultur“ genannt, alle älteren Männer sind Babas, alle Frauen sind Nonyas. Ihre Traditionen sind „zu gut 70 Prozent chinesisch inspiriert“, wie Wee behauptet. „Portugiesische, britische, indische und javanische Einflüsse kamen im Laufe der Zeit hinzu.“

Doch zu einem ganz entscheidenden Anteil ist sie buchstäblich malaiisch gewürzt, denn die Nonya-Küche, ist, für Singapur-Besucher leicht nachzuschmecken, ein wesentliches Element dieser fernöstlichen Mischkultur.

Längst sind die meisten Peranakan-Angehörigen Christen. Peter Wees Großvater, ein respektierter Kaufmann, der in jungen Jahren noch Zopf und die fußlangen Gewänder der wohlhabenden Chinesen trug, war der erste Baba, der sich taufen ließ. Mit dem rasanten Tempo, das aus Singapur eine Symbolmetropole der globalisierten Welt werden ließ, schwindet aber Jahr um Jahr die Bedeutung der Peranakan-Gemeinde. Zwar gehören ihr noch gut 2000 Mitglieder an, aber „Baba“ Wee, der keine Kinder hat, sieht es nüchtern: „Unsere Zeit neigt sich dem Ende zu. Vielleicht bin ich der letzte Präsident dieser Community.“

Obwohl also die Mitgliederzahl dieser Gemeinschaft, viele von ihnen Akademiker und Kaufleute, abnimmt, lässt sich ihre Lebensweise noch immer in ihrem Wohnviertel erkennen: Die meisten pastellfarbigen einstöckigen Häuser in der Koon Sen Road, an der Joo Chiat Road und deren Nachbarschaft stammen aus den 1920er Jahren. Fast alle, mehr als 700, sind denkmalgeschützt. Sie wirken sehr gepflegt, gediegen-prächtig, mit viel floraler Ornamentik und chinesischen Symbolen verziert, allerdings etwas unzugänglich, weil das Untergeschoss sich meistens hinter einer Steinmauer verbirgt. Das wesentlich belebtere Viertel der Malaien („Malay Village“) schließt sich im Osten und Norden der Peranakan-Straßen an, durchsetzt mit Basaren und Moscheen.

Die Nonya-Küche darf nie in Vergessenheit geraten

Seit fünf Jahren bewahrt ein eigenes Museum das Erbe der Peranakan-Kultur. Es liegt außerhalb des Quartiers, an der Armenian Street im Rande des alten Kolonialviertels. Peter Wee hat daran maßgeblich mitgewirkt, mit Exponaten aus den Familientruhen, mit Rat und Erinnerungen. In einer früheren chinesischen Schule werden nun auf drei Stockwerken und in zehn Abteilungen die farbenprächtigen Kostüme der verschiedenen Peranakan-Zweige gezeigt, ihre Riten und Religionen – oft eine Mischung aus Buddhismus, Daoismus, Christentum und mailaiisch-chinesischem Volksglauben – dargestellt.

Keineswegs museal, sondern sehr lebendig wird die Nonya-Küche bleiben. Überleben werden ihre gut gehüteten Rezepte, in denen Kokosmilch, ingwerähnliche Gewürze und 1001 andere Spezereien eine Rolle spielen. Die zumindest in Singapur bis heute wohl bekannteste Hüterin dieser Küchentraditon war Lee Chin Koon, die Mutter des legendären, langjährigen Premiers Lee Kuan Yew, der dem modernen Singapur wie kein anderer seinen Stempel aufgedrückt hat. Ihr Credo hieß: „Wir hängen an der Nonya-Küche, sie darf nie in Vergessenheit geraten.“

Zunehmend gehören Restaurants, die diese Gerichte original anbieten, zu den angesagten Adressen der Stadt, etwa das „Blue Ginger“ in der Tanjong Pagar Road, das „Chili Padi“ am Joo Chiat Place oder das „Peranakan Inn“, Peter Wees Lieblingslokal, nur ein paar Schritte von seinem nostalgisch-bunten Refugium in der East Coast Road entfernt, in dem er sich, nach telefonischer Anmeldung, jederzeit über Besucher freut.

Bernd Schiller

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