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Kinder, hier ist was los! Doch auch für Erwachsene ist das Unterqueren der Erasmusbrücke, die sich in Rotterdam über die Nieuwe Maas spannt, ein Erlebnis.

© Uwe Bahn

Kreuzfahrt: Ein Hauch von Hochsee

Abenteuerlich: Wie Arosa & Co eine jüngere Klientel an Bord ihrer Flussschiffe holen wollen.

Was für ein Wind! Mit Stärke 9 bläst er aus Westen. Im Hafen von Harlingen liegen die Traditionsschiffe und Ausflugsdampfer fest vertäut. Die weißen Schaumkronen auf den Nordseewellen sind das untrügliche Zeichen: Die See wird stürmisch.

Bei dieser Wetterlage überlegt sich ein Kapitän genau, ob er noch ins Wattenmeer hinausfährt. Und Bernhard Klausmann ganz besonders: Er steuert keinen Krabbenkutter, kein Plattbodenschiff, sondern die „Arosa Flora“. Ein Flussschiff mit gerade mal 1,60 Meter Tiefgang, das nun hier im Hochseerevier kreuzt. Salzwasser, Seegang, Sturmböen – Fremdworte für Flusskreuzer. Deren Terrain sind sonst eher Main und Mosel. See-, pardon flusskrank wurde dort noch niemand. Doch hier in Holland kann das anders werden. Auf dem Weg nach Amsterdam muss das Schiff durchs Watten-, Ijssel- und Markermeer. Ein Hauch von Hochsee.

Die Reederei Arosa sucht das Abenteuer ganz gezielt. Nicht nur wegen der Windstärke. Die Rostocker wollen den Fluss revolutionieren. Wieder einmal. Mit Spa und Fitness für eine Kundschaft, die eher für „Kur“ steht. Was Aida auf See gelang, das versucht Arosa auf dem Fluss. Jörg Eichler, fünf Jahre für Vermarktung und Verkauf bei Aida zuständig, ist da auf gutem Weg. Und ihm ist es ernst. Schluss mit dem, wofür der Fluss bisher steht: Seniorenurlaub. „Ich möchte den Gästemix verändern“, hatte er die Richtung vorgegeben, in die auch andere zielen.

Die Zeit des Verramschens ist vorbei

Den wirksamsten Hebel dafür hat Eichler bereits umgelegt: Kinder reisen kostenfrei bei Arosa. Nicht gemeint: 85-Jährige in Begleitung ihres 60-jährigen Sohnes. Das Angebot gilt für Nachwuchs bis 15 Jahre. Für Eichler eine Herkules-Aufgabe: eine Generation an Bord zu holen, die nicht für Grammofon, sondern für iPhone steht. Gratis W-Lan soll da nachhelfen. Das bekommt jeder, der den „Select Premium“-Tarif bucht. Was so viel bedeutet: Arosa alles inklusive. Preise stabil auf hohem Niveau halten, Leistungen erhöhen, so das neue Denken bei der Reederei. Die Zeit des Verramschens ist vorbei.

Immer aufmerksam: Kapitän Klausmann.
Immer aufmerksam: Kapitän Klausmann.

© Uwe Bahn

Kapitän Bernhard Klausmann hat unterdessen entschieden: Wir fahren. Er hat die Leinen lösen lassen und nun schaukelt die „Flora“ durchs kabbelige Wasser im Wattenmeer. Erst mal bis zum Abschlussdeich, der das Watten- vom Ijsselmeer trennt. „Das Ijsselmeer ist heute die Beringsee“, freut sich der nautische Offizier. Endlich mal was los. Allerdings: Die kräftigen Böen drücken das Schiff gegen die Dauben vor der Schleuseneinfahrt. Die Weiterfahrt ist unmöglich.

Das Schiff bezieht Quartier an einem Notliegeplatz und macht längsseits vor der Schleuse fest. Jetzt zeigt das Team um Hotelmanagerin Anett Prinz, wie flexibel es ist. Ein Landgang in die friesische Stadt wird auf die Schnelle organisiert.

Die biederen Alleinunterhalter sind weg

Die „Flora“, das ist das jüngste Schiff der Flotte, 2014 gebaut auf der Neptun-Werft in Rostock. Der chronische Platzmangel auf Flussschiffen wurde einfach ignoriert: Sieben Juniorsuiten, vier Balkonsuiten und zwei Familienkabinen gönnen die Rostocker ihren Gästen. Und einen erstaunlichen Service, der noch einmal feinjustiert wurde. Genau wie die Gastronomie. Showcooking am Büfett, Vier-Gänge-Menüs.

Zehn Kinder reisen mit auf unserer Tour. Gemocht, nicht nur geduldet, so hat es zumindest den Anschein. Sie lernen in dieser Woche unter anderem (alkoholfreie) Cocktails zu mixen und Apfelstrudel zu backen.

Durch das All-inclusive-Konzept hat sich auch das Bordleben deutlich in den späten Abend verlängert. Ob die biederen Alleinunterhalter geknebelt im Maschinenraum liegen oder einfach nur vom Schiff verbannt wurden? Ganz gleich, sie sind nicht mehr da, und das ist gut so. Stattdessen kommt die Bordunterhaltung nun vom DJ aus dem aufgeklappten Macbook. Keine Hochkultur, aber eben nicht mehr Jerry, Jimmy oder Jacky an der Yamaha-Orgel mit ihren Penetranz-Potpourris. Trotzdem: Es darf schon ein bisschen mehr sein.

Die „Flora“ hat sich tatsächlich durchs Ijsselmeer gekämpft und einen Tag verspätet Amsterdam erreicht. Nach den kleinen Städtchen Hoorn und Harlingen nun also die Metropolen. „Die Städtereise der Zukunft ist für mich die Kurzkreuzfahrt Amsterdam und Rotterdam“, ist Jörg Eichler überzeugt. Konsequenz: Arosa hat die Zahl der Stopps über Nacht erhöht und die Liegezeiten verlängert. Falls die neue Zielgruppe abends noch mal um die Häuser ziehen will. Dafür dürfen die Liegeplätze aber gerne etwas zentraler sein als zum Beispiel Antwerpens Westkai „Kattendijkdok“. Detailarbeit.

Tipps für Flussreisen

Die „Flora“, jüngster Spross der Arosa-Flotte
Die „Flora“, jüngster Spross der Arosa-Flotte

© Uwe Bahn

Was kann einem Reisenden Besseres passieren, als abwechslungsreiche Landschaften ruhig zu durchfahren, Uferpanoramen vom Wasser aus ganz nah zu sehen, an interessanten Stellen auszusteigen und abends möglichst stadtnah anzulegen, ohne die Koffer ins Hotel wuchten zu müssen.

Flussreisen in Deutschland und benachbarten Ländern haben zudem den Vorteil der relativ kurzen Anreise.

BEISPIEL

Eine viertägige Reise von Köln über Amsterdam, Rotterdam und Arnheim zurück nach Köln kostet ab 479 Euro inklusive Vollverpflegung und Transfers. Auskunft in Reisebüros.

Uwe Bahn

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