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Taufpaten. Die Geschwister Hofmann malten 2002 den Namen „Astoria“ aufs einstige „Traumschiff“. Foto: picture-alliance/dpa

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Reise: Stolz am Bug

Wie Schiffe zu ihren Namen kommen – und warum das Präfix „MS“ niemals dazugehört.

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Phoenix Reisen, Deilmann, Passat Kreuzfahrten (Delphin) und Hansa Touristik tun es. Transocean tut es manchmal. Plantours, FTI Cruises, Aida und Tui Cruises dagegen nicht. Gehört vor den Namen eines anständigen Kreuzfahrtschiffs das Präfix „MS“? Auf eine philosophische Diskussion darüber wollen wir uns erst gar nicht einlassen – aber ein paar Fakten klären und Erklärungsversuche wagen.

„MS“ – die Abkürzung steht für „Motorschiff“ – ist nicht Bestandteil des Schiffsnamens und ist auch nirgendwo am Schiffsrumpf oder im Schiffsregister zu lesen. Dort ist immer von „Artania“, „Delphin“ oder „Deutschland“ die Rede – ganz ohne „MS“. Im Englischen lautet die Abkürzung übrigens „MV“ für „Motor Vessel“.

Vor allem international ist es bei Kreuzfahrtschiffen kaum mehr üblich, dem Schiffsnamen ein Attribut hinzuzufügen, das die Methode der Energiegewinnung an Bord beschreibt – denn darum geht es bei Abkürzungen wie „SS“ (Steam Ship), „TS“ (Turbinen-, nicht Traumschiff) oder eben MS. Eine Ausnahme ist dabei lediglich das „RMS“, aber dazu später.

Vor allem in Zeiten des schnellen technischen Wandels in der Schifffahrt wollten Passagiere immer das Modernste und Neueste. Vermutlich schmückten sich Reedereien deshalb stolz damit, wenn ihre Schiffe modernste Technik einsetzten. Im Gegenzug dazu argumentierten technisch etwas rückständige Reedereien gerne mit der Zuverlässigkeit bewährter Technologien. Dampfschiffe führten das „SS“ genauso stolz wie die moderneren (Dampf-)Turbinenschiffe ihr „TS“ und später die Motorschiffe das „MS“.

Es gibt es keinen handfesten Grund, warum einige Reedereien an dem „MS“ festhalten. Im Wesentlichen ist es schlicht Tradition und Gewohnheit, wie Hapag- Lloyd bestätigt. Das „MS“ zu verwenden, um Verwechslungen zu vermeiden, kann nicht gelten. Bei Schiffsnamen wie Europa und Bremen also „MS Europa“ und „MS Bremen“ zu verwenden, damit die Schiffe nicht mit Kontinent oder Stadt verwechselt werden, kann nicht überzeugen. Schließlich wird immer von der „Europa“ und der „Bremen“ die Rede sein. Eine doppelte Absicherung sozusagen, da Schiffsnamen auch prinzipiell in An- und Abführungszeichen geschrieben werden. Selbst wenn sich das noch nicht bei jeder Reederei herumgesprochen hat.

Überraschenderweise erzeugen keineswegs alle Kreuzfahrtschiffe ihre Energie mithilfe von Diesel-/Schweröl-Generatoren. Dampf ist in Sachen Schiffsantrieb durchaus noch existent und sogar ziemlich zeitgemäß. Nicht in Form altmodischer Dampfmaschinen freilich, sondern als Dampfturbinen in Kombination mit Gasturbinen.

Bei Celebrity Cruises verfügen die Schiffe der sogenannten Millennium- Klasse allesamt über hochmoderne Dampfturbinen. Genau genommen haben die vier Schiffe ein kombiniertes System aus Gas- und Dampfturbine, kurz: Coges. Die „Celebrity Millennium“ war im Jahr 2000 das erste Kreuzfahrtschiff mit dieser neu entwickelten Technik. Auch einige Schiffe der Schwester-Reederei Royal Caribbean International fahren mit solchen Coges-Systemen.

Eigentlich könnte man diese Schiffe also als „TS“ – Turbinenschiff – bezeichnen. Da traditionell „TS“ aber auch für „Turbine Steamer“ steht, ist die Bezeichnung „TS“ für die modernen Kreuzfahrtschiffe mit kombinierten Diesel-, Gas- und Dampfturbinen nicht gebräuchlich. Korrekt, aber im Alltag ebenfalls ziemlich ungebräuchlich, ist „GTS“ für „Gas Turbine Ship“.

Die letzten Kreuzfahrtschiffe, die ihre Energie ausschließlich über eine Dampfturbine gewonnen haben, sind übrigens die „Emerald“ (Louis Cruise), die seit 2009 stillgelegt ist, sowie die ebenfalls noch bis 2009 als Kreuzfahrtschiff betriebene „Sky Wonder“ (zuletzt „Atlantic Star“) und die „Oceanic“ (heute als „Peaceboat“ im Einsatz). Das letzte Flusskreuzfahrtschiff mit Dampfturbine war die 2011 verschrottete „Mississippi Queen“. Aber auch die in Deutschland so beliebte „Maxim Gorkiy“ war ein klassisches Dampfturbinenschiff.

Ein ziemlich kleiner exklusiver Club ist die Gruppe der „NS“ – Zivilschiffe mit Nuklearantrieb. Im Kreuzfahrtbetrieb ist derzeit nur ein einziges Schiff mit Atomreaktor an Bord, der russische Eisbrecher „50 Years of Victory“.

Ein echtes Kuriosum ist die in den späten 50er Jahren in den USA gebaute „Savannah“. Das als kombiniertes Fracht- und Passagierschiff gebaute Schiff diente rund zehn Jahr lang als Vorzeigeprojekt der Amerikaner für die zivile Nutzung von Kernenergie, bevor sie 1972 stillgelegt wurde. Bis zu 60 Passagiere konnten auf der „Savannah“ mitfahren – zu wenig für den rentablen Betrieb. Schon nach drei Jahren stiegen die Betreiber aus dem Kreuzfahrtgeschäft wieder aus und konzentrierten sich aufs Frachtgeschäft. Heute ist sie im Hafen von Baltimore zu besichtigen.

Auch in Deutschland hätte es in den 60er Jahren beinahe ein Atom-Kreuzfahrtschiff gegeben: Die „Otto Hahn“ war ursprünglich ähnlich wie die „Savannah“ als kombiniertes Passagier- und Frachtschiff geplant, ging dann 1970 aber letztlich als reines Frachtschiff in Betrieb.

Kommen wir zu dem vielleicht prestigeträchtigsten Kürzel, denn die „Titanic“ war ein Schiff dieses Typs. „RMS“ ist dem „MS“ zwar sehr ähnlich, hat aber eine völlig andere Bedeutung. Die Abkürzung „RMS“, die wir vor allem von den Cunard-Schiffen kennen, hat nämlich nichts mit dem Schiffsantrieb zu tun, auch wenn das RMS manchmal auch als „Royal Mail Steamer“ ausgeschrieben wird.

RMS bedeutet „Royal Mail Ship“ und darf – unabhängig von der Antriebsart – von Schiffen geführt werden, die Post für die britische Royal Mail befördern. Echte Postbeförderung findet freilich auf Cunards Fahrten nur noch sehr selten statt – Frachtflugzeuge sind in der Postbeförderung viel schneller. Trotzdem haben sowohl „Queen Mary 2“ als auch „Queen Victoria“ bereits formal britische Post befördert und dürfen sich daher mit dem „RMS“ schmücken. Die neue „Queen Elizabeth“ soll auf ihrer Weltreise 2012 einen Sack voll britischer Post über den Atlantik befördern und sich damit ebenfalls diese Ehre verdienen.

Echte Royal Mail Ships gibt es ansonsten unseres Wissens nur noch zwei: die „St. Helena“ und die „Segwun“. Erstere transportiert tatsächlich noch regelmäßig die Post im Auftrag der Royal Mail (sowie alle Arten von Fracht und Passagiere) zwischen St. Helena, Ascension und Kapstadt. Die historische „Segwun“ fährt nur noch als Ausflugsschiff auf den Muskoka- Seen in Ontario, Kanada, darf aber mit Erlaubnis der kanadischen Post weiterhin die Bezeichnung „RMS“ führen.

Der Autor betreibt die Internetplattform www.cruisetricks.de

Franz Neumeier

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