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Ulrike C. Tscharre kennen Zuschauer aus Krimis und der "Lindenstraße".

© imago/APress

Schauspielerin Ulrike C. Tscharre: Meine Helden

Ein Abfahrtsläufer, eine Bürgerrechtlerin, eine Umweltschützerin. Ulrike C. Tscharre und die Menschen, die sie inspirieren.

Die deutsch-österreichische Schauspielerin Ulrike C. Tscharre, 47, ist am 26. Oktober im Fernsehfilm "Zielfahnder" in der ARD zu sehen. Einem breiten Publikum wurde sie bekannt, als sie die Rolle der Marion Beimer in der "Lindenstraße" übernahm.

Seit ihrem Ausstieg aus der Serie 2010 hat sie oftmals Figuren in Krimis und Actionfilmen dargestellt. Sie hat Schauspiel in Ulm studiert und lebt heute in Berlin.

WICKIE

Als Kind habe ich gedacht, Rock, lange Haare, klar, Wickie ist ein Mädchen. Ich habe sie in der Zeichentrickserie unglaublich bewundert, weil sie so klug war, die ganze Wikingerkompanie anzuführen. Ein Mädchen, das in dieser Männerwelt bestehen konnte. In der Grundschule sagte eines Tages eine Freundin zu mir, du bist doch blöd, das ist ein Junge. Habe ich nicht wahrhaben wollen, dass der Rock bloß eine Jacke war – und meinen Glauben vehement verteidigt. Bis es nicht mehr ging. Nach dem ersten Schock habe ich beschlossen, egal, welches Geschlecht Wickie hat, am Ende beeindruckt mich doch das Kind, das sich in der Erwachsenenwelt durchsetzt. Dessen Ideen toller waren als die der Großen, sodass sie zum Sieg und zum Erfolg geführt haben. Großartig fand ich, wenn Wickie und die Männer das Schiff bestiegen, der Moment kam, in dem die Gemeinschaft ins Ungewisse aufbrach. Da hatte ich beim Zuschauen immer ein Kribbeln im Bauch.

Umweltaktivistin Julia Hill.
Umweltaktivistin Julia Hill.

© Getty Images/AFP

JULIA HILL
„Baumfrau“ haben die Medien sie genannt, weil sie zwei Jahre lang auf einem kalifornischen Mammutbaum gelebt hat, um ihn vor dem Abholzen zu schützen. Das war Ende der 90er-Jahre, damals beschäftigte mich meine Blase Schauspielschule, eine vergeistigte Welt mit Rollenstudien, Theatertexten und Proben. Eines Tages las ich über Hill und dachte, die macht etwas, was ich nicht zwei Nächte durchhalten würde. Ihre Zähigkeit hat mich beeindruckt. Da verließ jemand die Komfortzone – wovon wir ständig in der Ausbildung geredet haben. Diese mutige Frau hat erreicht, dass auf einem Gebiet von 21 Quadratkilometern kein Baum gefällt wurde. Natürlich haben ihr Sympathisanten geholfen, Essen an Seilen hochgezogen, damit sie auf ihrer Plattform etwas kochen konnte. Hill kämpfte mit Regenstürmen, die Holzfirma ließ Hubschrauber über dem Wald kreisen, in der Hoffnung, der Wind der Rotorblätter würde sie vom Baum jagen. Aber Julia Hill saß alle Gefahren einfach aus.

Eglantyne Jebb setzte die Kinderrechts-Charta durch.
Eglantyne Jebb setzte die Kinderrechts-Charta durch.

© Wikipedia

EGLANTYNE JEBB

Lange habe ich eine Möglichkeit gesucht, mich zu engagieren. Vor drei Jahren hörte ich von Save the Children, der weltweit größten Kinderrechtsorganisation. Eglantyne Jebb hat sie gegründet. Ihr verdanken wir die Kinderrechtskonvention. Sie war Engländerin und hat nach dem Ersten Weltkrieg Spenden für Hunger leidende Kinder in Deutschland und Österreich gesammelt. Sie hat sich dafür entschieden, nachdem sie gelesen und gesehen hat, wie schlecht es den Kindern in Europa ging. In ihrer Heimat ist sie dafür extrem angegriffen worden: Was ihr denn einfiele, für die Feindeskinder Geld zu sammeln? Trotzdem hat sie es geschafft, so viele Spenden einzutreiben, dass in Deutschland überall Kakaostuben eingerichtet wurden. Dort kamen Kinder hin und konnten Kakao oder andere Lebensmittel bekommen. Ihr Anliegen war, Kindern in Not zu helfen, egal, aus welchem Land. Das finde ich nachahmenswert und bin seit diesem Jahr Botschafterin für Save the Children.

Rekord-Skiabfahrtläufer Franz Klammer.
Rekord-Skiabfahrtläufer Franz Klammer.

© AFP

FRANZ KLAMMER

Mein Vater ist Österreicher, deshalb war in unserer Familie Skisport wichtiger als Fußball. Jedes Mal, wenn ein Wettbewerb stattfand, saßen alle wie gebannt vor dem Fernseher. Slalom, Riesenslalom und die Königsdisziplin: Abfahrtslauf. Ungeschlagener Rennläufer ist bis heute Franz Klammer – ein Hüne von einem Mann, eine menschliche Kanonenkugel, die die Piste herunterrast, ein Skifahrer, der aus einfachen Verhältnissen in Kärnten stammt. Er wuchs in einer Gegend auf, in der es keinen Lift gab, er musste den Berg hochlaufen, um Abfahrten zu fahren. In der eigenen Familie hat er erlebt, wie gefährlich der Sport sein kann. Sein jüngerer Bruder ist seit einem Skiunfall querschnittsgelähmt. Als Kind habe ich Klammers Siege in den 70er-Jahren verfolgt, seinen katastrophalen Einbruch am Ende des Jahrzehnts, als er sich nicht mal für Olympia qualifizieren konnte, und seine glorreiche Rückkehr Jahre später. Franz Klammer ist seitdem für mich der Inbegriff des Sports.

Sängerin Neneh Cherry.
Sängerin Neneh Cherry.

© imago/Landmark Media

NENEH CHERRY

Als 1989 „Manchild“ herauskam, ein melancholischer Dance-Titel, habe ich das rauf und runter gehört. Und öfter versucht, das Lied auf Kassette aus dem Radio mitzuschneiden. Natürlich haben immer die Moderatoren reingequatscht, es ist mir nie gelungen, den Song ganz aufzunehmen. Im Video tanzte Neneh Cherry in hautengen Radlerhosen, obwohl sie hochschwanger war. Ich fand sie unglaublich hübsch, dazu die dichten lockigen Haare, das kantig geschnittene Gesicht. Und sie setzte sich für gesellschaftliche Themen ein – wofür man sie auch als Miss Political Correctness beschimpfte. Sie war feministisch, ließ sich nicht den Mund verbieten. Sobald sie das Gefühl hatte, die Kritiker würden sie in eine Schublade stecken, machte sie völlig andere Musik. Zuerst wurde sie als Dance-Künstlerin berühmt, später nahm sie eine Blues-Platte auf. Das hat viele Hörer irritiert. Ich mochte, dass ihr das egal war. Sie wollte sich selbst treu bleiben, auch wenn sie damit weniger Platten verkaufte.

Bürgerrechtlerin Rosa Parks.
Bürgerrechtlerin Rosa Parks.

© REUTERS

ROSA PARKS

In einem Buch tauchte ihr Name plötzlich in einem Nebensatz auf – und weil ich ihn nicht kannte, schlug ich ihn nach. Sofort habe ich mir diese Situation vorgestellt, wie Rosa Parks im Dezember 1955 einfach in dem Bus sitzen blieb, eine schwarze Frau, die nicht für die Weißen ihren Sitzplatz räumt, sich nicht wie die anderen Schwarzen erhebt, weil sie nicht den Rest der Fahrt stehen mochte, sich gegen die anderen Passagiere und den Busfahrer stellt. Was für ein Gänsehautmoment! Dieses Aussitzen ist ein unangenehmer Zustand, man fühlt sich von der ganzen Welt umzingelt und findet keinen Beistand. Rundherum sind Menschen, die schreien, glotzen oder wegschauen. Die Gefühlsklaviatur von Angst, Unwohlsein bis hin zum Trotz konnte ich gut nachvollziehen. Sie hat moralisch richtig gehandelt, damit die schwarze Bürgerrechtsbewegung mit angestoßen, doch ihre Familie wurde anschließend dermaßen angefeindet, dass sie aus den Südstaaten nach Detroit umziehen musste.

Hollywood-Star Meryl Streep.
Hollywood-Star Meryl Streep.

© AFP

MERYL STREEP

Letztens habe ich mir „Mamma Mia“ angesehen – eine Riesenleistung, denn ich hasse Musicals. Sobald Leute in Heileweltfilmen anfangen zu singen, denke ich: Können die bitte nicht einfach weitersprechen? Deshalb umso erstaunlicher, dass ich mir den Abba-Film mit Meryl Streep angeguckt habe. Ich war danach so froh, hatte solch eine gute Laune. Mit Mitte 60 springt Meryl Streep rum wie ein junges Fohlen, trägt eine Latzhose, ist komplett alterslos, durchlebt alles wie ein Teenager – Verliebtsein, Unsicherheit – und wirkt nie blöd oder albern. Ich glaube ihr jedes einzelne Wort. Ich sehe sie gar nicht spielen, nur ihre Figur. Natürlich kenne ich sie seit den 80er-Jahren, „Kramer gegen Kramer“, später „Jenseits von Afrika“. Sie macht mich demütig. Ich fand in der Ausbildung alles mühsam, dachte permanent, ich würde scheitern. Und dann erscheint auf der Leinwand eine Meryl Streep, die schwierige Themen in einer Leichtigkeit umsetzt. Ich dachte: Da will ich hinkommen.

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