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Ein schwules Paar hält sich an den Händen.

© Daniel Naupold/dpa

Valentinstag 2019: Die Liebe gehorcht dem Gesetz des Marktes

Dating wird zunehmend zum Statussymbol. Das hat Auswirkungen auf unser Beziehungsverständnis und mit Liebe immer weniger zu tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Mit dem Slogan „Wir verlieben dich!“ warb eine große deutsche Dating-Plattform vor einiger Zeit um Kunden. Was sich darin widerspiegelt: Oft suchen heute nicht die Menschen ihre Partner aus, sondern eine maschinengetriebene Rationalität. Der Begriff „Match“ bezeichnet dabei die von einem Algorithmus ermittelte Übereinstimmung zweier potenzieller Liebeskandidaten. Und nun gibt man die erkämpfte, recht junge Liebeskunst - bis weit ins vergangene Jahrhundert wurden Menschen hierzulande fremdbestimmt und zweckmäßig verheiratet - wieder aus der Hand. Das will so gar nicht zur medial inszenierten Romantik des Valentinstags passen.

Dass das Liebesverständnis eines Menschen von der Kultur abhängt, in der er lebt, ist eine Binse. Durch die Jahrhunderte wurde es wahlweise romantisiert, psychologisiert und sexualisiert. „Wer zwei Mal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“, stand 1968 auf den Häuserwänden. Und heute scheint die moderne Umdeutung der Liebe daran anzuknüpfen.

Denn mit dem modernen Datingverhalten ändert sich das Beziehungsverständnis radikal. Nie war es einfacher, in kurzer Zeit viele Menschen kennenzulernen. Früher beschränkte sich die Partnerwahl meist auf das Herkunftsdorf, heute hat man potenziell die ganze Welt auf dem Bildschirm. Drum prüfe, wer sich ewig bindet...

Der ewige Griff nach dem Besseren

Dabei befragten Forscher vor Kurzem junge Menschen rund um das Thema Sex und Beziehungen und fanden heraus, dass Treue und Beständigkeit noch immer zentrale Wünsche sind. Gleichzeitig ermittelten sie, dass es dieser Generation aber immer schwerer fällt, eine feste Beziehung zu führen.

Viele Enkel der 68er erklären die klassische Zweierbeziehung kurzerhand wieder zu kleinbürgerlichem Besitzdenken. Die Monogamie entspreche der kapitalistischen Eigentumsordnung. Gleichzeitig werden die häufig wechselnden Geschlechtspartner wie Trophäen präsentiert, was mehr von narzisstischer Selbstbespiegelung zeugt als von der Suche nach echter zwischenmenschlicher Verbundenheit. Entgegen ihrer Illusion von Selbstbestimmtheit unterliegen die modernen Flirtnomaden dabei der Marktlogik mehr, als ihnen gewahr ist.

Alles sein können, sich permanent wandeln können, ist die Losung dieser Tage. Man lebt nicht mehr permanent an einem Ort, übt nicht mehr sein ganzes Leben den gleichen Beruf aus. Es scheint also nur folgerichtig, dass man sich auch in der Partnerwahl nicht mehr festlegen muss. Konsequenter Ausdruck davon ist der Typus des zwanglosen Singles, dessen vermeintliche, verteidigte Freiheit in Wahrheit oft eine Angst vor der Entscheidung ist. Der ewige Griff nach dem Besseren. Tendenziell nähert sich die Partnersuche dabei dem Shoppingverhalten an. Was nicht gefällt, wird ausgetauscht.

Der Zauber des Kennenlernens ist getilgt

Es gab Zeiten, da handelte nahezu jede Liebeskomödie davon, wie zwei Menschen allen Unwahrscheinlichkeiten zum Trotz zueinanderfinden. Heute werben Elite-Plattformen mit detaillierten Suchmasken, die nur die Schönsten, Reichsten und Bestgebildeten vermitteln. „Du bist eine Zehn. Also date auch eine Zehn“. Das Exklusivitätsversprechen wird durch das Abfragen von Parametern wie Ausbildung, Beruf und Körperform abgesichert. Nicht nur ist die Suchmaske ein soziales Ausschlusskriterium - sie tilgt ausgerechnet jenes irrationale und unberechenbare Element, das doch ausgerechnet den Zauber des Kennenlernens ausmacht.

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