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Gesundheit: „Biotechnik hat in China Priorität“

Der medizinische Zweck heiligt die Mittel – auch das Klonen

Menschliche Embryonen geklont! Menschliche embryonale Stammzellen in Mäuse vermehrt! Menschliches Erbgut in die Eizelle eines Kaninchens verpflanzt! Mit solchen Schlagzeilen machen chinesische Forscher immer wieder auf sich aufmerksam. Obwohl ihre Arbeit in der westlichen Welt nicht selten moralische Entrüstung hervorruft, ist sie ein Anzeichen dafür, dass China in der Biotechnik an die Spitze will.

„Biotechnik hat in China Priorität“ sagt Detlev Ganten, Stiftungsvorstand am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch, das mit chinesischen Forschern kooperiert. Aber fehlt es nicht an einem rechtlichen Rahmen für ethisch zweifelhafte Experimente? Ganten glaubt, dass zweifelhafte Klon-Experimente eher die Ausnahme sind. Offiziell ist man bemüht, sich international Vertrauen zu erwerben – und gleichzeitig als Forschungsstandort mit wenig Auflagen attraktiv zu bleiben.

„Die Leute glauben, wir chinesischen Wissenschaftler würden unsere Forschung grenzenlos ausdehnen. Aber das ist nicht der Fall“, verteidigt sich Huizhen Sheng von der zweiten medizinischen Universiät in Schanghai. Sie hatte im März weltweites Aufsehen erregt, weil ihre Forschergruppe Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen hatte, die zuvor in entkernten Kaninchen-Eizellen herangewachsen waren.

Stammzellforschung soll helfen, krankes oder zerstörtes Gewebe zu ersetzen. Viele Wissenschaftler setzen auf das Potenzial dieser wandlungsfähigen Zellen. Auch in China. Und das umso mehr, als der Abstand zu den führenden Wissenschaftsnationen wie den USA auf diesem noch jungen und sich rasch entwickelnden Gebiet noch nicht so groß ist. Während die ethischen Bedenken im Westen erheblich sind, wenn es um Stammzellen aus menschlichen Embryonen geht, sieht man in China eher den Nutzen: Der Zweck, Kranke zu heilen, heiligt das Mittel – das Zerstören eines einige Hundert Zellen umfassenden menschlichen Embryos.

Doch sollen noch in diesem Jahr nationale Richtlinien zur Stammzellforschung erlassen werden. China will kein zweifelhafter Außenseiter mit grenzenloser Forschungsfreiheit sein – das würde um ihr Image besorgte Investoren und Firmen eher abschrecken. Vorbild für China ist das liberale Großbritannien, das die Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellen und das therapeutische Klonen für medizinische Zwecke erlaubt.

Die Stammzellforscher von Schanghai haben eigene Regeln aufgestellt, die sich ebenfalls an Großbritannien orientieren, aber noch einen Schritt weiter gehen. Sie erlauben es auch, menschliche Zellen mit einer entkernten Säugetier-Eizelle zu verschmelzen. Auf diese Weise kann man den Mangel an menschlichen Spender-Eizellen umgehen. Doch darf das Verfahren nur in der Forschung angewandt werden. Sobald Menschen mit Stammzellen aus Klongewebe behandelt werden, müssen diese mit menschlichen Eizellen hergestellt worden sein.

China ist mit seiner reichen Tier- und Pflanzenwelt, 1,3 Milliarden Einwohnern und 56 verschiedenen Völkern das Land mit den größten genetischen Reichtümern. Und die hat es schon geschützt. Der Nationale Volkskongress erklärte 2001 seine genetischen Ressourcen zum nationalen Eigentum. Bevor Informationen aus dem Erbgut an Ausländer weitergegeben werden, muss eine staatliche Erlaubnis eingeholt werden.

In China liebäugelt man noch immer mit der Eugenik, also dem Versuch, die Erbanlagen zu verbessern. So wurde 1995 ein Gesetz erlassen, das Heiratswillige zur genetischen Beratung zwingt und mit einer Belohnung winkt, wenn sie sich im Falle von krank machenden Genen sterilisieren lassen. Besonders dieses Gesetz hat das Misstrauen westlicher Genforscher hervorgerufen.

Zumindest in der grünen Gentechnik, der genetischen Veränderung von Pflanzen, hat China bereits eine Führungsposition eingenommen und steht weltweit auf Platz Nummer zwei (nach den USA). Hier ist der von Mao vor mehr als 40 Jahren prophezeite „große Sprung nach vorn“ schon fast Wirklichkeit geworden. Ungehindert durch öffentliche Proteste, einengende Gesetze oder ideologische Scheuklappen sind bereits 141 genetisch veränderte Pflanzen entwickelt worden, von denen 65 die Erlaubnis zur Freisetzung bekommen haben. Darunter sind Reis, Sojabohnen, Weizen, Mais, Kartoffeln, Erdnüsse, Melonen . . .

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