zum Hauptinhalt

Gesundheit: Die Darstellung der Musik in mittelalterlichen Kirchen

Eine der frühesten Darstellungen von einer Gruppe musizierender Engel findet sich im Chor des Kölner Doms. Über den Figuren der Apostel sind an den Pfeilern Engel angebracht, von denen jeder ein anderes Instrument in der Hand hält.

Eine der frühesten Darstellungen von einer Gruppe musizierender Engel findet sich im Chor des Kölner Doms. Über den Figuren der Apostel sind an den Pfeilern Engel angebracht, von denen jeder ein anderes Instrument in der Hand hält. Zusammen entsteht daraus ein "Engelskonzert". Das mehrstimmige Musizieren befand sich im Mittelalter noch in der Entwicklung. Viele Musikinstrumente wurden auch mit Weltlichkeit und Unsittlichkeit in Verbindung gebracht. Von daher ist die Darstellung musizierender Engel im Kirchenraum ungewöhnlich. Solche Darstellungen beginnen in der Anfangszeit des Kölner Dombaus - 1248 wurde mit Bau des Chores begonnen. In den folgenden zweihundert Jahren werden solche Darstellungen immer selbstverständlicher.

Die Engel im Kölner Domchor haben alle keine Flügel. Typisch ist ein jugendliches, schönes Aussehen mit beseligtem Lächeln. In der Mehrzahl spielen sie Saiteninstrumente. Diese galten wegen ihres zarten Klanges als besonders vornehm. Da die Kölner Engel im Verein mit der Jungfrau Maria dargestellt sind, sollte ihre Musik so hoheitsvoll wie möglich erscheinen. Andere Instrumente, die für die Engelskonzerte ausgewählt wurden, beziehen ihre Legitimation daher, dass die in den Psalmen erwähnt werden und dadurch über das weltliche Musizieren erhoben wurden. So spricht die Liturgie zum Fest Mariä Himmelfahrt denn auch von Maria als "erhoben über die Chöre der Engel".

Was die musikalischen Darstellungen bedeuten und und wie sie sich in europäischen Kirchen verbreiteten, hat Björn Renko Tammen vom Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Köln untersucht. Björn Renko Tammen wurde für diese Arbeit mit dem Preis der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.

Die Darstellung der musizierenden Engel im Kölner Dom war Ausdruck eines neuen Weltbildes, das von höfisch-weltlichen Elementen geprägt war. Die Musik wurde in dieser Zeit - der Chor war im Jahr 1322 vollendet worden - immer mehr von den obersten Gesellschaftsschichten akzeptiert. Außerdem gab es einen Fortschritt beim Musizieren mit mehreren Instrumenten, der sich auch auf die Kirchenmusik auswirkte. In einer Stadt von der Größe Kölns, die sich nahe am französischen Einflußbereich befand, konnten solche Tendenzen schnell aufgenommen werden. Außerdem wurde die Musik verstärkt in der wissenschaftlichen Theorie behandelt.

Nachahmungen in anderen Kirchen in den folgenden Jahrzehnten zeigen nie ein vollständiges Engelskonzert. Dies erschien den Zeitgenossen wohl zu gewagt. Erst beim Neubau des Chors am Aachener Münster findet sich eine vollständige Übernahme des Programms. Damit ist ein wichtiger Schritt in der allgemeinen Akzeptanz neuer Instrumentalmusik getan. Zuvor war die Kirchenmusik meist auf den Gesang der Kleriker beschränkt gewesen.

Auch die Plazierung der Musikdarstellungen im Chorraum ist nicht selbstverständlich. Der Wissenschaftler Tammen hat herausgefunden, dass Musikdarstellungen zuvor eher am Portal der Kirche zu finden waren. Im Chor aber, der ja der Messfeier und dem Gebet der Kleriker vorbehalten war, erhielten sie eine überhöhte Bedeutung. Zum einen konnte der Geistliche seinen eigenen Gesang im Singen der Engel gespiegelt sehen. Außerdem gab es in der mittelalterlichen Liturgie die Vorstellung, dass die Engel vom Himmel das "Sanctus" singen, wenn der Priester die Wandlung vollzieht. Diese, wenn schon nicht hörbare Musik, konnte hier gesehen und damit vorstellbar werden.

Nicht nur Engel, auch Menschen und Tiere sind beim Musizieren abgebildet worden. In den Kirchenräumen dieser Zeit finden sich an den verschiedensten, jedoch untergeordneten Stellen wie an den Arm- und Rückenlehnen der Gestühle auch Darstellungen von Menschen oder Tieren in grotesken Gestalten, die ein Musikinstrument spielen. So ziert ein musizierender Affe einen Knauf im Kölner Chorgestühl. Er spielt das Rebec - das war ein gering geachtetes Streichinstrument. Und in einer Darstellung mehrerer Personen bei einem Festmahl schlägt ein Teufel die Trommel - ein als unheilig geltendes Instrument. Mischwesen zwischen Mensch und Tier spielen oft Blasinstrumente. Diese galten als verrufen, weil sie angeblich Leidenschaften und Zügellosigkeit weckten. In der Kathedrale von Winchester spielen Schweine Rebec und Doppelflöte.

Der musizierende Engel bleibt jedoch das am häufigsten verwendete Motiv. Im Kölner Dom sind solche Engel noch in der heute verlorenen Bemalung zwischen den Arkaden im Chor, in der Bemalung der Chorschranken und in verschiedenen Fensterverglasungen zu finden. Ein Blick über die Grenzen stellt einen Zusammenhang mit dem "Angel Choir" der Kathedrale von Lincoln her, der ungefähr zeitgleich mit Köln entstanden ist. Musizierende Engel schmücken hier als Reliefs die Flächen zwischen den Arkaden.

Die Engel vom Kölner Dom stehen am Anfang einer Entwicklung, die in den folgenden zweihundert Jahren weit um sich griff. Der Musikwissenschaftler Tammen spricht vom 15. Jahrhundert als dem "Jahrhundert der Engel".

Wolfgang Mathias

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false