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Kolumne – Die gute Frage

© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Hilft Speichel auf kleinen Wunden? : Spucke ist zwar eigentlich antibakteriell, birgt aber Gefahren

Tiere haben keine andere Möglichkeit, als ihre Wunden zu lecken. Menschen hingegen sollten auf andere Hilfsmittel zurückgreifen – denn Speichel ist voller aggressiver Bakterien.

Eine Kolumne von Claudia Füßler

Wenn ein Kratzer oder ein kleiner Schnitt blutet, geben viele Menschen Speichel darauf – in dem Glauben, dass die Wunde so besser heilt. Ist das wirklich eine gute Idee? „Einerseits enthält der Speichel einige Substanzen, die Wunden vor unerwünschten Bakterien schützen können. Hierzu gehören Nitrit, Lactoferrin oder Lactoperoxidase. Diese natürlichen Antibiotika können die Entwicklung einer Infektion verhindern“, sagt Stephan Ehl, Ärztlicher Leiter des Centrums für Chronische Immundefizienz am Universitätsklinikum Freiburg.

Andererseits enthalte der menschliche Speichel eine Vielfalt von Bakterien, die erhebliche Infektionen auslösen können, wenn sie in eine tiefe Wunde eindringen. Der Biss eines Menschen kann daher schwerere Folgen haben als der eines Tieres. Der wahrscheinlich gefährlichste unter diesen Keimen ist das Bakterium Eikenella corrodens, ihm leisten zahlreiche Streptokokken und Pilze Gesellschaft. Experten schätzen, dass sich gut die Hälfte aller Wunden, die von einem Menschenbiss herrühren, entzünden – deutlich häufiger als bei Hundebissen.

Der Rückschluss ist berechtigt: Die Keime in menschlicher Mundflora sind deutlich aggressiver. Genaugenommen vor allem die in der Mundflora eines Erwachsenen, bei Kindern und Jugendlichen ist das Keimspektrum noch nicht ganz so gefährlich. Noch am Anfang des 20. Jahrhunderts führten Menschenbisse und die daraus entstandenen Infektionen häufig zu Amputationen oder gar Todesfällen, weil man die Entzündung nicht stoppen konnte.

Sobald eine Wunde aufhört zu bluten, sollte alles unternommen werden, um die Wunde vor Infektionen zu schützen. Wilde Tiere haben keine andere Möglichkeit als ihre Wunden zu lecken, die antibakteriellen Eigenschaften des Speichels sind dabei vermutlich nützlich. „Nicht wild lebende Menschen haben eine Alternative: Wasser und Seife“, sagt Ehl. „Während es wenig schadet, kleine Wunden zu lecken, um den Schmerz zu lindern und das Blut zu entfernen, sind Wundinfektionen ein ernstes Risiko bei tieferen Wunden.“ Ganz wichtig: Wer unterwegs zum Beispiel die kleine Schürfwunde mit Speichel einreiben möchte, sollte immer nur die eigene Spucke benutzen. Die kann potentiell weniger Schaden anrichten als das Keimsammelsurium einer anderen Person. 

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