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Gesundheit: Sprich mit mir

Patienten wollen besser informiert sein. Sie fordern: Kliniken sollen ihre Ergebnisse offen legen

Ein Sprachcomputer, programmiert für Gespräche mit Patienten zur Entlastung des Arztes, hat sogar Small Talk in seiner Software. Kann er eine Frage nicht beantworten, dann sagt er: „Lassen Sie uns von etwas anderem reden!“ Die Anekdote löste letztes Wochenende beim 11. Kongress „Armut und Gesundheit“ in Berlin nicht nur Gelächter aus. Eine Teilnehmerin: „Ein Arzt hätte das nicht gesagt. Der hätte den Patienten mit einem Rezept hinauskomplimentiert.“

Arm dran sind alle, die sich als Kranke einen Pfad durch den Dschungel des Gesundheitswesens bahnen wollen; besonders diejenigen, die arm an Gütern und an Bildung, aber von Krankheit betroffen sind. Deshalb ging es bei der Tagung auch um die Frage, welche Informationen und Beratung Patienten brauchen, um über ihre Gesundheit mitentscheiden zu können.

Künftig wird der Patient nicht mehr passiver Empfänger von Behandlungen bleiben können, sondern aktiv an seiner Gesundung mitwirken müssen, sagte der Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Bernhard Badura und nannte auch Gründe: Die Angebote der Medizin werden immer komplexer und damit die Wahlmöglichkeiten größer. Zugleich steigt das Bildungsniveau, die Patienten werden kritischer. Mit zunehmender Lebenserwartung wächst die Zahl chronisch Kranker. Sie wollen über Behandlungsmöglichkeiten informiert und zum Umgang mit ihrem Leiden befähigt werden.

Die Beteiligung der Patienten als Element der „Gesundheitsreform“ fehle bisher fast völlig, wie Badura bemängelte. Wenigstens beginnt man, die Patienten nach der Bewertung des Klinikaufenthalts zu fragen. Meist sei dies aber nur ein Werbemittel, hieß es auf dem Kongress. Denn ob die medizinische Versorgung angemessen ist, ob zu viel, zu wenig oder das Richtige getan wird, sei für die Patienten heute kaum zu beurteilen.

Alle Umfragen ergeben übereinstimmend: Patienten wollen mehr Informationen und persönliche Beratung, am liebsten durch den Arzt, was besonders für die sozial Benachteiligten gilt. Broschüren, Artikel, Merkblätter, das Internet oder die noch immer als zu lang und unverständlich bewerteten Beilagen der Arzneimittelpackungen können das Gespräch mit der Möglichkeit zur Nachfrage nur ergänzen. Kassenpatienten fühlen sich vor allem durch Angebote selbst zu zahlender „Individueller Gesundheitsleistungen“ verunsichert und sehen dadurch das Vertrauensverhältnis zum Arzt belastet. Das zeigte eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.

Ärzte – aber auch Kassen – haben auch ökonomische Interessen. In Hamburg hätten Krankenkassen ihre Mitglieder aufgefordert, in die billigsten Krankenhäuser zu gehen statt in die jeweils am besten geeigneten, berichtete Christoph Kranich, Verbraucherzentrale Hamburg. Er hoffe, dass immer mehr Kliniken in den jetzt obligatorischen Qualitätsberichten nicht nur mitteilten, wie gut sie ausgestattet und wie qualifiziert ihre Mitarbeiter seien. Vielmehr sollten sie – was noch freiwillig ist – auch ihre Ergebnisse offen legen. Einige tun dies schon.

Seit der Gesundheitsreform 2000 werden im Modellversuch unabhängige Institutionen zur Verbraucher- und Patientenberatung gefördert. Und das durchaus mit Erfolg, wie die wissenschaftliche Begleitforschung zeigt. Die Beratungsqualität wurde auch durch Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in der Rolle Ratsuchender getestet. Wie Marie-Luise Dierks (MHH) mitteilte, sei in den Gesprächen die Autonomie der Anfragenden unterstützt und Entscheidungshilfe gegeben worden.

Viele Ratsuchende suchen nur Hinweise auf die richtige Praxis oder Klinik. Andere, vor allem chronisch Kranke, wollen auf hieb- und stichfeste Studien gestütztes („evidenzbasiertes“) medizinisches Detailwissen. Auch für sie gibt es schon gute Informationsmöglichkeiten, wie dieser Kongress zeigte. Interessierte Laien können sich sogar im Auffinden, Lesen und Beurteilen wissenschaftlicher Studien schulen lassen.

Besonders aktiv ist hierbei eine Einrichtung der Ärzteschaft: das „Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin“. Eine erste Anlaufstelle ist der Online-Wegweiser zu Berliner Beratungsangeboten, getragen von der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung „Gesundheit Berlin“ (Telefon 4431 9066).

Infos im Internet:

www.patienteninfo-berlin.de

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