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Gesundheit: Woher Tumoren stammen

Bei der Entstehung von Krebs spielen krankhafte Stammzellen eine Rolle. Wird es gelingen, sie zu stoppen?

Der Schrecken, den das Wort „Krebs“ verbreitet, kommt vor allem daher, dass die Krankheit sich so oft als besonders heimtückisch erweist. Das typische Szenario: Dank Operation, Chemotherapie mit Zellgiften und Bestrahlung verschwindet der Tumor. Zumindest wird er unsichtbar, sogar für die moderne Bildgebung.

Doch nach Jahren flammt die Krankheit wieder auf. Der Tumor ist wieder gewachsen und hat an anderen Stellen Tochtergeschwülste gebildet. Womöglich widersetzt sich der Krebs diesmal sogar der Behandlung mit Medikamenten, auf die er beim ersten Mal noch angesprochen hat.

Alle diese Eigenheiten von Krebserkrankungen könnte ein Konzept erklären, das Otmar Wiestler, Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, als „eines der spannendsten der aktuellen Krebsforschung“ bezeichnet. Diesem Konzept widmete sich in der letzten Woche ein Symposium, zu dem sich Mediziner, Biologen und Genforscher auf Einladung des DKFZ und der Schering-Stiftung in Berlin trafen.

Es ging um Stammzellen, doch nicht direkt um jene adulten oder embryonalen Stammzellen, die normalerweise die aktuellen Debatten bestimmen, weil sie als Hoffnungsträger bei der Entwicklung neuer Therapien gelten.

Die Krebsstammzellen, die zur Diskussion standen, sollen nicht zur Heilung eingesetzt werden. Sie sind vielmehr Teil der Krankheit, wenn sie auch wichtige Eigenschaften mit den gesunden Gewebestammzellen teilen. Erstmals entdeckte man solche Zellen in geringer Anzahl bereits in den 1980er Jahren im Knochenmark von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie.

Die Fachwelt hielt das jedoch überwiegend für einen Sonderfall, schließlich besteht Blutkrebs nicht aus festen Tumoren. Inzwischen wurden die charakteristischen Zellen aber auch in Wucherungen des Gehirns, der Brust und der Prostata nachgewiesen. Zuletzt wurden sie beim Gliablastom gefunden, einem aggressiven Hirntumor. Identifiziert wurden sie anhand des Proteins CD 133, das auch auf der Oberfläche gesunder adulter Stammzellen zu finden ist und als Stammzellmarker gilt.

Und es gilt als wahrscheinlich, dass Krebsstammzellen auch bei anderen, wenn nicht bei allen Krebsarten im Spiel sind. Sie entgehen wahrscheinlich den Zellgiften der Chemotherapie, weil sie sich im Unterschied zu gesunden Körperzellen und zu der Mehrheit der Krebszellen nur langsam teilen und zudem in einer Art Schlummerzustand verharren können. Bei der Chemotherapie werden vor allem Zellen zerstört, die sich schnell teilen.

Das könnte erklären, warum die Krankheit nach Jahren trügerischer Ruhe so oft wieder aufflammt. „Wir begleiten diese Hypothese voller Enthusiasmus, weil einige der Beschränkungen der bisherigen Krebsbehandlung damit erklärt werden könnten“, sagte der Humanbiologe Dominik Mumberg, Experte aus der Präklinischen Onkologieforschung der Schering AG, auf einer Pressekonferenz am Rande der Tagung. Krebsstammzellen halten, wie die Forscher inzwischen wissen, in speziellen Nischen eine Art Winterschlaf.

„Das macht sie unempfindlich gegen Mittel, die nur aktive Zellen töten“, erklärte Andreas Trumpp vom Schweizerischen Institut für Experimentelle Krebsforschung in Epalinges im Wallis. Trumpp versucht den Faktoren auf die Spur zu kommen, die die Krebsstammzellen aus diesen Nischen heraus in den aktiven Zellzyklus treiben.

Inzwischen konnte seine Arbeitsgruppe zeigen, dass das Gen „c-myc“ eine wichtige Rolle spielt. Es ist an der Regulierung des Gleichgewichts zwischen Selbsterneuerung und Spezialisierung der Krebsstammzellen beteiligt. Schon zuvor war bekannt, dass das für die Zellteilung wichtige „c-myc“ bei einigen Krebsarten besonders aktiv ist.

„Werden die schlafenden Krebsstammzellen aktiviert, dann kann es noch nach Jahren zur Bildung von Metastasen kommen. Genau hier liegt aber auch die Chance für einen neuen Therapieansatz“, sagte Trumpp. Der Ansatz könnte darin bestehen, die schlummernden Krebsstammzellen gezielt zu zerstören.

Obwohl man beides auseinanderhalten muss, gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Krebsstammzellen und den adulten Stammzellen, die ja gesunde Vorläufer spezialisierter Gewebezellen im Körper darstellen. Vieles spricht inzwischen dafür, dass Krebsstammzellen aus gesunden Stammzellen hervorgehen, die sich genetisch verändert haben. Allerdings könnten sie sich auch durch Rückprogrammierung aus schon weiter differenzierten Gewebezellen oder aus Vorläuferzellen entwickeln, die auf einer mittleren Ebene der Zellhierarchie stehen.

Bei einer solchen Reprogrammierung geben Zellen ihre Spezialisierung auf und werden wieder zu Multitalenten. Aufschlüsse darüber, wie das genau vonstattengeht, erhoffen sich die Krebsforscher vor allem aus der Forschung mit embryonalen Stammzellen. „Wir wünschen uns ein gesellschaftliches Klima, in dem auch die Möglichkeit zur Forschung mit diesen Zellen besteht“, sagte Mumberg. Auch neue Erkenntnisse darüber, wie gesunde Stammzellen eigentlich mit Nischenzellen Informationen austauschen, könnten die Krebsforschung unmittelbar befruchten.

Adelheid Müller-Lissner

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