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„Die freie Welt braucht einen neuen Anführer“: Reaktionen auf den Bruch zwischen Trump und Selenskyj
Am Freitag ist das Treffen zwischen Trump und Selenskyj abgebrochen worden. Es könnte ein entscheidender Moment für die Zukunft der Ukraine sein. Das sind die Reaktionen von Politikern und Experten.
Stand:
Wolodymyr Selenskyj ist am Freitag nach Washington gereist, um mit Donald Trump einen Deal zugunsten der Sicherheit der Ukraine zu machen. Nun ist offenbar nicht nur das Rohstoffabkommen geplatzt. Auch die Zukunft ukrainisch-amerikanischen Beziehung steht auf dem Spiel.
Nach einem außerordentlichen Streit auf offener Bühne mit US-Präsident Donald Trump und dessen Vize J.D. Vance hat der ukrainische Staatschef das Weiße Haus vorzeitig verlassen. Selenskyj fuhr am Freitag in seiner Limousine ab. Später versuchte er die Wogen mit einem Beitrag auf X zu glätten.
Darin dankte er Trump und den USA für den Besuch und die Unterstützung. Kurz zuvor hatte Trump in seinem Onlinenetzwerk Truth Social geschrieben, Selenskyj sei „nicht bereit für Frieden, wenn Amerika involviert ist“, er könne „zurückkommen, wenn er bereit für den Frieden ist“.
Sowohl Trump als auch Vance warfen dem ukrainischen Präsidenten zudem wiederholt Undankbarkeit und Respektlosigkeit vor. Wie geht es jetzt weiter? Und wie reagieren die anderen Staatschefs? Ein Überblick:
Masala: Ukraine muss Trumps Bedingungen restlos akzeptieren
Der Sicherheitsexperte Carlo Masala gibt sich trotz der heutigen Entwicklungen vorsichtig optimistisch. „Trump hat die Tür immerhin ein wenig offengelassen, weil er gesagt hat, Selenskyj könne wiederkommen, wenn er Frieden wolle“, sagte der Politikwissenschaftler von der Bundeswehr-Universität München kurz nach dem Treffen gegenüber dem Tagesspiegel.
Gleichzeitig habe der US-Präsident auch klargemacht, dass der ukrainische Präsident alle Bedingungen zu erfüllen hat, die die Trump-Administration ihm vorgebe. Dazu gehören aus Masalas Sicht: die Abgabe von Territorien, keine NATO-Mitgliedschaft, keine Sicherheitsgarantien, die Unterzeichnung des Rohstoffabkommens.
Gleichwohl seien die Details des Rohstoffabkommens noch nicht ausgearbeitet. Auch sei, so Masala, sehr unklar, ob die Amerikaner die Ukrainer darin möglicherweise übervorteilen werden.
„Letzten Endes ist das, was wir heute gesehen haben, das Zeichen dafür, dass sich niemand mehr – weder Partner noch Verbündete – auf die Vereinigten Staaten verlassen kann, wenn er gegenüber Trump keine Unterwürfigkeit zeigt“, so der Politikwissenschaftler.
Scholz und Merz solidarisieren sich mit Ukraine
Auf politischer Ebene wagten die meisten Politiker zunächst keine Prognose, wie es nun weitergeht. Vielmehr lösten die Vorgänge im Oval Office eine Welle von Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine und ihrem Präsidenten aus.
Einer der ersten Regierungschefs war Donald Tusk. „Lieber Wolodymyr Selenskyj, liebe ukrainische Freunde, ihr seid nicht allein“, schrieb der polnische Premierminister auf X.
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Kurze Zeit später äußerte sich auch der deutsche Bundeskanzler. „Niemand will Frieden mehr als die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine! Deswegen suchen wir gemeinsam den Weg zu einem dauerhaften und gerechten Frieden“, schrieb Olaf Scholz (SPD) auf X und fügte hinzu: „Auf Deutschland – und auf Europa – kann sich die Ukraine verlassen.“
Das hob auch Scholz’ wahrscheinlicher Nachfolger im Kanzleramt hervor. „Lieber Wolodymyr Selenskyj wir stehen zur Ukraine in guten und in schwierigen Zeiten“, schrieb Friedrich Merz (CDU) auf X. Man dürfe in diesem schrecklichen Krieg niemals Aggressor und Opfer verwechseln.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter fordert eine rasche Erhöhung der Verteidigungsausgaben. „Die USA sind mit Trump nicht mehr der Verbündete Europas“, sagt der der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Nötig sei jetzt eine sehr schnelle Erklärung der Notlage durch den Bundestag und die Bereitstellung erheblicher Mittel. Auch ein großes Hilfspaket für die Ukraine sei notwendig. Zur Finanzierung sollten umgehend die etwa 270 Milliarden Euro eingefrorenen russischen Vermögens eingesetzt werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigt sich solidarisch mit der Ukraine. „Seien Sie stark, seien Sie mutig, seien Sie furchtlos. Sie sind niemals allein, lieber Präsident Selenskyj“, erklärt sie auf X. „Wir werden weiter mit Ihnen an einem gerechten und dauerhaften Frieden arbeiten.“
„Die freie Welt braucht einen neuen Anführer“
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas stellte die Führungsrolle der USA in der westlichen Welt infrage gestellt. „Heute ist klar geworden, dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht“, schrieb Kallas am Freitagabend in Onlinenetzwerken. Sie bekräftigte zudem die Unterstützung der Europäer für die von Russland angegriffene Ukraine.
Außenministerin Annalena Baerbock schreibt auf sozialen Medien: „Die Ukraine ist nicht allein. Deutschland steht gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten geschlossen an der Seite der Ukraine - und gegen die russische Aggression.“
Sie betont: „Die Ukraine kann auf unerschütterliche Unterstützung aus Deutschland, Europa und darüber hinaus bauen.“
Auch der britische Premierminister Keir Starmer und sein australischer Kollege Anthony Albanese stärkten der Ukraine den Rücken. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni forderte unterdessen einen sofortigen Gipfel zwischen den USA, Europa und Verbündeten zur Ukraine.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez versichert der Ukraine die Solidarität seines Landes. „Ukraine, Spanien steht an euer Seite“, schreibt er auf X.
Mit Emmanuel Macron äußerte sich wenige Zeit später auch die dritte Achse des Weimarer Dreiecks. „Ein starkes Europa, das brauchen wir mehr denn je“, schrieb der französische Präsident auf X: „Ich habe von Anfang an daran gearbeitet. Der Aufbruch ist jetzt.“
In einem weiteren Beitrag bemühte sich Macron um Geschlossenheit: „Wir alle hatten recht, der Ukraine zu helfen und Russland vor drei Jahren zu sanktionieren und dies auch weiterhin zu tun.“
Mit „wir“ meint Macron die Amerikaner, Europäer, Kanadier, Japaner und andere Unterstützer der Ukraine im russischen Angriffskrieg.

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Die Präsidentin des EU-Parlaments sicherte Selenskyj die weitere Unterstützung seitens der Europäer zu. „Wir werden weiterhin mit Ihnen für einen gerechten und dauerhaften Frieden arbeiten“, schrieb Roberta Metsola auf X. Wofür sich der ukrainische Präsident seinerseits unmittelbar bedankte.
Weitere europäische Spitzenpolitiker sicherten der Ukraine ihre Unterstützung zu. Estlands Außenminister Margus Tsahkna erklärt, das die Unterstützung seines Landes für die Ukraine „unerschütterlich“ bleibe. Das einzige Hindernis für Frieden sei die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, seinen Angriffskrieg fortzusetzen.
„Wenn Russland aufhört zu kämpfen, gibt es keinen Krieg mehr. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, wird es keine Ukraine mehr geben.“ Europa müsse jetzt aktiv werden.
Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Störe schreibt: „Was wir heute vom Weißen Haus erlebt haben, ist ernst und entmutigend.“ Dass Trump Selenskyj beschuldige, mit dem Dritten Weltkrieg zu spielen, sei zutiefst unangemessen.
Norwegen stehe an der Seite der Ukraine. „Wir hoffen, dass die Trump-Regierung auch versteht, wie wichtig ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine ist.“
Brantner wirft Trump Erpressung vor – Gabriel sieht Parallelen zu Putin
Andere Spitzenpolitiker in Deutschland reagierten mit Entsetzen auf die Szenen im Weißen Haus. „Trump macht klar, was er unter Diplomatie versteht: Erpressung und Ausverkauf“, schrieb etwa die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner auf X. Wer sich nicht kaufen lasse, sei ,undankbar’. „Das ist kein Frieden, das ist imperialistisches Machtdenken.“
Der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Lars Klingbeil reagierte zurückhaltender und appellierte an eine stärkere europäische Autonomie. „Das Verhalten der US-Regierung zeigt einmal mehr, dass Europa seine Zukunft stärker in eigene Hände nehmen muss“, schrieb Klingbeil auf X: „Deutschland muss und wird vorangehen.“
Der frühere SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel zog dagegen Parallelen zum Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Donald Trump und J.D. Vance beleidigen Präsident Selenskyj vor laufender Kamera. Schlimmer würde es Putin auch nicht treiben“, schrieb der ehemalige SPD-Vorsitzende und Ex-Außenminister auf X. Unter Präsident Trump und seinem Vize Vance würden die USA zu einer „schurkischen Supermacht“.
Roth: Trump nimmt Selenskyj und Ukrainern die Würde
Führende deutsche Außenpolitiker kritisierten Trump ebenfalls mit scharfen Worten. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), sagte dem Tagesspiegel, Trump und Vance hätten Selenskyj „auf offener Bühne gedemütigt“.
Roth fügte hinzu: „Bar jeglichen Respekts und jeder Sachkenntnis dreschen sie auf Selenskyj ein. Sie nehmen damit nicht nur ihm, sondern auch seinem Volk die Würde.“ Das sei „politisch verheerend und menschlich zutiefst unanständig. Putin und alle autoritären Herrscher dürften jubilieren.“ Roth sagte: „Die USA spielen nicht mehr im Team ,liberale Demokratie‘!“
Wortgefecht zwischen Trump und Selenskyj: Hier sehen Sie das Video aus dem Oval Office:
Roth rief Europa zu „massiven und raschen Investitionen“ in seine Sicherheit und Abschreckung auf. „Wer sich auf Trumps Amerika verlässt, der ist verlassen“, so der SPD-Politiker: „Da helfen auch nicht Macrons peinliche Umgarnungsversuche oder das Schönreden im politischen Berlin. Während wir über ein technisches Finanzierungselement wie die Schuldenbremse streiten, werden in Washington Fakten geschaffen. Gegen unsere nationalen und europäischen Sicherheitsinteressen.“ ,Europa allein Zuhause‘ müsse endlich zu raschen Konsequenzen führen.
„Die EU braucht in diesem historischen Ausnahmezustand mehr Führung und Ambition“, sagte Roth: „Sie muss vor allem aus Berlin, Paris und Warschau kommen.“
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen forderte zügige Koalitionsverhandlungen. „Deutschland braucht jetzt schnellstens eine Regierung“, sagte Röttgen dem Tagesspiegel. Europa müsse jetzt handeln.
„Wie kann man dem Präsidenten eines überfallenen Landes so in den Rücken fallen?“, schrieb auch der CDU-Fraktionsvize und Außenpolitikexperte Johann Wadephul auf X und fügte hinzu: „Das freie Europa wird die Ukraine nicht verraten!“
Die Grünen-Außenpolitikerin Agnieszka Brugger sagte dem Tagesspiegel: „Präsident Selenskyj hat sich in Washington geweigert, das zynische Spiel von Donald Trump mitzuspielen, bei dem am Ende nur Wladimir Putin gewinnt.
Es hat noch nie geholfen, sich bei Typen wie Präsident Trump einzuschleimen. Was die Bullies dieser Welt verstehen, sind klare Worte und entschlossene Taten. Dafür braucht die Ukraine jetzt mehr denn je ihre Freunde in Europa und wir brauchen die Ukraine umgekehrt genauso.“
- Anton Hofreiter
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