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US-Präsident Donald Trump in Riad.

© AFP/Brendan Smialowski

Donald Trump, der Friedensstifter?: Ukraine, Iran, Gaza – und der US-Präsident mittendrin

Trump hatte sich „America first“ auf die Fahnen geschrieben. Das galt als Absage an Diplomatie und Interventionen, als neuer Isolationismus. Nun praktiziert er das Gegenteil.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Ist Donald Trump ein planlos umherirrender Wirbelwind, der nur Chaos stiftet und nichts erreicht? Schauen wir uns einige Nachrichten aus jüngster Zeit an, die ohne die Intervention des US-Präsidenten wohl nicht zustande gekommen wären.

Als da wären: Einigung im Handelsstreit mit China und Großbritannien, gefolgt von neuer Euphorie an den Börsen, Freilassung der Geisel Edan Alexander aus Gaza, Waffenstillstand mit den Huthis im Jemen sowie zwischen Indien und Pakistan, Aufhebung der Syrien-Sanktionen, Schmieden einer neuen Anti-Iran-Koalition, 600-Milliarden-Dollar-Investitionszusage durch Saudi-Arabien.

Die Bilder aus Riad sind wahrhaft historisch. Trump trifft den Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa, ruft ihn dazu auf, Israel anzuerkennen. Al-Scharaa, der einst lupenreiner Islamist war, zeigt sich offen für eine Annäherung an das Nachbarland, mit dem sich Syrien seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 im Kriegszustand befindet. Als die Aufhebung der Sanktionen bekannt wird, jubeln die Menschen auf den Straßen.

Jetzt fehlt nur noch, dass Russland und die Ukraine aufeinander zugehen. Mit Hochspannung schaut die Welt an diesem Donnerstag auf die Ereignisse in der Türkei. Wer kommt? Wer kommt nicht? Wer verdient sich das Prädikat „friedenswillig“?

Kaum jemand glaubt an eine schnelle Aufnahme substanzieller Gespräche über ein Ende des Krieges. Aber erneut könnte Trump durch seine Pendelei zwischen Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin – unterbrochen von Drohungen, sich komplett aus den Friedensbemühungen zurückzuziehen – eine Dynamik entfaltet haben, der sich die Beteiligten nicht entziehen können.

Beide, Selenskyj wie Putin, wollen Trump nicht verprellen. Das heißt, sie müssen vor allem so tun, als seien sie an einer Beendigung des Krieges interessiert. Doch aus der Inszenierung von Gesprächsbereitschaft könnte reale Gesprächsbereitschaft werden. Und sei es nur, um den Verdacht zu entkräften, der Verhinderer zu sein.

Auch mit der Ukraine hatte Trump ein Abkommen geschlossen. Darin geht es um den Abbau wichtiger Rohstoffe. Es soll die USA eng an die Ukraine binden und Russland dadurch abschrecken. Ob das gelingt, weiß niemand. Kritiker bezeichnen es als eine Form von Kolonialismus. Außerdem können die seltenen Erden erst in vielen Jahren abgebaut werden.

Trump ist und bleibt unberechenbar, sprunghaft, aggressiv. Das alles aber schließt Verhandlungserfolge und neue Dynamiken nicht aus.

Malte Lehming

Nun soll Trumps Rolle an dieser Stelle nicht schöngeredet werden. Er ist und bleibt eine Gefahr für die Demokratie, die Unabhängigkeit der Justiz, für Menschenrechte und Bündnistreue. Er ist und bleibt unberechenbar, sprunghaft, aggressiv. Das alles aber schließt Verhandlungserfolge und neue Dynamiken nicht aus. Eine gewisse Offenheit dafür sollten sich auch seine ärgsten Gegner bewahren.

Allerdings lässt sich hinter jedem vermeintlichen Erfolg Trumps ein riesengroßes „Aber“ setzen. Den Handelsstreit hatte er mit seinen irrsinnig hohen Zöllen selbst entfacht. Der Krieg in Gaza gegen die Hamas ging unmittelbar nach der Freilassung von Edan Alexander mit unverminderter Härte weiter.

Dass auf Trumps Nahost-Reise vor allem das Atomprogramm des Iran Thema war, verdankt er ebenfalls sich selbst. In seiner ersten Amtszeit hatte er das einst mühsam ausgehandelte Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Wie brüchig der Waffenstillstand mit den Huthis im Jemen ist, zeigte sich am Mittwoch, als in Israel erneut Raketenalarm ausgelöst werden musste.

Trumps politische Kehrtwende

Lodernde Feuer, allüberall. Und mittendrin ein US-Präsident, der im Wahlkampf und überhaupt „America first“ auf seine Fahnen und Basecaps geschrieben hatte. Das galt als Absage an globale Diplomatie und Interventionen, als neuer Isolationismus. Jetzt pendelt Trump zwischen seiner Rolle als Friedensstifter und Krisenentschärfer. Das ist eine in atemberaubender Geschwindigkeit vollzogene politische Kehrtwende.

Spürt Trump plötzlich eine Art globale Verantwortung? Werden die USA unter seiner Führung zu jenem Weltpolizisten, den viele Amerikaner – Linke wie Rechte – stets abgelehnt haben? Das wäre zumindest überraschend.

Malte Lehming

Mit seiner „America first“-Doktrin inszenierte sich Trump in seiner ersten Präsidentschaft als Isolationist par excellence. Er zog sich aus dem Pariser Klimaabkommen und diversen anderen internationalen Verträgen zurück, stieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus, begann Handelskriege, brüskierte die Nato.

Und jetzt? Spürt Trump plötzlich eine Art globale Verantwortung? Werden die USA unter seiner Führung zu jenem Weltpolizisten, den viele Amerikaner – Linke wie Rechte – stets abgelehnt haben? Das wäre zumindest überraschend.

Ein 400 Millionen Dollar teurer Jumbo-Luxus-Jet

Mit Humanität hätte das freilich nichts zu tun. In Trumps erster Amtszeit, Anfang Oktober 2018, wurde der saudi-arabische Dissident und Kolumnist der „Washington Post“, Jamal Khashoggi, in Istanbul auf Befehl von Kronprinz Mohammed bin Salman brutal ermordet. Sein Leichnam wurde mit einer Säge zerstückelt.

Der Kronprinz ist bis heute ein enger Freund von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. „Ich glaube, wir mögen einander sehr“, sagte Trump bei seinem Besuch nun über sein Verhältnis zum Kronprinzen.

Das Emirat Katar wiederum unterstützt muslimische Terrororganisationen und beherbergt die Führung der Hamas. Ein Thema für Trump? Jedenfalls nicht vor laufenden Kameras. Für Schlagzeilen sorgte stattdessen ein Geschenk der katarischen Königsfamilie: ein 400 Millionen Dollar teurer Jumbo-Luxus-Jet.

Der Late-Night-Talker Jon Stewart kommentierte das in seiner „Daily Show“ so: Trump lässt sich einen 400-Millionen-Jet von jenen Leuten schenken, die er – wären sie Studenten an der Columbia University – aus den USA abschieben würde.

Seine erste Auslandsreise in seiner zweiten Amtszeit führte den US-Präsidenten nicht etwa nach Europa, sondern in die Krisenregion Nahost. Trump braucht die Unterstützung arabischer Staaten, wenn er Fortschritte erzielen will, um die Brandherde Iran und Gaza zu entschärfen.

Ob ihm das gelingt, ist offen. Zweifel sind angebracht. Aber dass er es versucht, spricht für ihn. „America first“ scheint nicht mehr im Zentrum von Trumps Politik zu stehen. Das lässt hoffen, jedenfalls ein bisschen.

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