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Der designierte US-Präsident Donald Trump bei seinem Interview mit Kristen Welker, Moderatorin der Sendung „Meet the Press“ im US-Sender NBC.

© IMAGO/ZUMA Press Wire/IMAGO/Nbc News

Erstes Interview nach der US-Wahl : „Spätestens jetzt muss auch Scholz klar werden, dass Trump de facto bereits heute regiert“

Der designierte US-Präsident droht mit Kürzungen der Ukrainehilfe und einem Nato-Austritt. Experten analysieren das Kalkül dahinter und wie Deutschland darauf reagieren sollte.

Stand:

Es war Donald Trumps erstes TV-Interview seit der Wahl. Geführt hatte der künftige US-Präsident das Gespräch mit dem TV-Sender NBC bereits am Freitag, also vor seiner Paris-Reise zur feierlichen Wiedereröffnung der Kathedrale von Notre-Dame. Am Rande der Feierlichkeiten traf Trump mit den Präsidenten Frankreichs und der Ukraine, Emmanuel Macron und Wolodymyr Selenskyj zusammen, was als ermutigendes Signal gewertet wurde.

In dem Interview droht Trump aber erneut mit einem Austritt aus der Nato. Der Republikaner wiederholte seine Forderung, dass alle Nato-Mitgliedstaaten mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren müssten, damit die USA dabeiblieben.

Wenn die Nato-Partner ihre Rechnungen bezahlten, würden die USA weiterhin ihre Rolle innerhalb des Verteidigungsbündnisses einnehmen, so Trump. Sollte das nicht passieren, würde Washington seine Unterstützung für die Nato „möglicherweise“ überdenken.

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Mit Blick auf die Zukunft der Ukrainehilfen sagte Trump in dem NBC-Interview, es sei „wahrscheinlich“, dass die USA die Hilfen für das Land reduzieren würden. Auf die Frage, ob seine Regierung bei der Unterstützung für die Ukraine Einschnitte vornehmen werde, antwortete Trump: „Möglicherweise. Ja, wahrscheinlich, sicherlich.“ Die USA sind derzeit der größte finanzielle und militärische Unterstützer der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor.

Nach seinem Gespräch mit Selenskyj in Paris hatte Trump in seinem Online-Dienst Truth Social eine „unverzügliche Waffenruhe“ gefordert und an Kiew und Moskau appelliert, Verhandlungen aufzunehmen.

„Selenskyj und die Ukraine würden gerne einen Deal machen und den Wahnsinn beenden“, erklärte Trump. Sollte der Krieg fortgeführt werden, „kann es zu etwas viel Größerem und viel Schlimmeren werden“.

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Was genau Trump nach seinem Amtsantritt in vier Wochen tun beziehungsweise unterlassen wird, ist indes unklar. Der Republikaner ist bekannt dafür, erratisch zu handeln und schnell auch mal seine Meinung zu ändern, je nachdem, was ihm seiner Meinung nach nutzt. Experten können demnach nur vermuten, was sich unter der nächsten US-Regierung ändern könnte.

Der ehemalige US-General Ben Hodges sagt, er habe viele Analysen darüber gesehen, was Trump in Bezug auf die Ukraine oder die Nato tun könnte. Was bei dem Treffen mit Selenskyj in Paris genau besprochen worden sei, sei unklar. „Er traf auch kürzlich mit dem Nato-Generalsekretär in Florida zusammen, was als gutes Treffen beschrieben wurde, obwohl wir ebenfalls nicht wissen, was genau gesagt wurde.“

Ich hoffe, dass die neue Regierung nicht 75 Jahre Nato wegwerfen oder die Ukraine opfern wird.

US-Militärexperte Ben Hogdes

Hodges sagt: „Es ist noch zu früh, um zu wissen, was Präsident Trump nach seinem Amtsantritt am 20. Januar tun wird. Er wird sich in seinen ersten Tagen mehr auf innenpolitische Themen konzentrieren. Ich hoffe, dass die neue Regierung nicht 75 Jahre Nato wegwerfen oder die Ukraine opfern wird. Beides wäre eine Katastrophe für die USA, und ich erwarte nicht, dass dies geschieht.“

Auch stünden die meisten führenden Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus hinter der Ukraine und unterstützten die Nato. „Das wird eine große Rolle spielen“, so Hodges.

Der Politikberater Ian Bremmer sagt mit Blick auf Trumps Nato-Drohungen: „Seine Position hat sich im Vergleich zu seiner letzten Präsidentschaft nicht geändert.“ Trump sei entschlossen, Teil des Bündnisses zu bleiben, solange sich die Nato-Verbündeten ebenfalls engagieren. „Das ist ein Verhandlungspunkt, der schon einmal erfolgreich war und von dem er erwartet, dass er es wieder sein wird, insbesondere angesichts dessen, was im Umgang mit Russland auf dem Spiel steht.“

Beim Thema Ukrainehilfen, so Bremmer, erwarte der designierte US-Präsident, dass sich Europa in der Zukunft stärker engagiere. „Aber vieles davon hängt davon ab, wie ein Waffenstillstand in der Ukraine aussehen könnte und wie Russland darauf reagieren würde.“ Bisher habe sich Selenskyj deutlich konstruktiver verhalten als der russische Präsident Wladimir Putin und einen direkteren Austausch mit Trump gepflegt.

Der ehemalige Transatlantik-Beauftragte der Bundesregierung Michael Link sagte dem Tagesspiegel: „Mit seinen wiederholten Drohungen, aus der Nato auszutreten, unterstreicht Donald Trump, dass er völlig andere Vorstellung von der Nato hat als alle seine Vorgänger. Dennoch weiß er, dass die Nato ohne die USA entkernt wäre, politisch wie militärisch, konventionell wie nuklear.“

Der FDP-Außenpolitiker sieht in Trumps Aussagen zuallererst einen Aufruf an die Europäer und besonders an Deutschland, so schnell wie möglich mehr Verantwortung für den europäischen Pfeiler der Nato zu übernehmen, besonders an der Ostflanke des Bündnisses. „Spätestens jetzt muss auch Bundeskanzler Olaf Scholz klar werden, dass Trump de facto bereits heute regiert, nicht erst ab dem 20. Januar 2025.“

Link forderte Scholz auf, die Ukraine entschlossener gegen Russlands Vormarsch zu unterstützen, zum Beispiel durch die Lieferung hochwirksamer Marschflugkörper wie Taurus, um gemeinsam mit den Verbündeten Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. „Scholz’ unabgestimmte Telefon-Diplomatie spielt Putin letztlich in die Hände“, so Link.

„Trump wird sich bald mit Putin treffen wollen. Im Sinne des Überlebens der Ukraine aber auch um Trump nicht alleine das Heft des Handelns zu überlassen, sollte Scholz jetzt aufhören, ständig Optionen auszuschließen und sich stattdessen Polen, Frankreich, Großbritannien, den Balten und den Skandinaviern anschließen, die alle auf Deutschland warten, um den Druck auf Putin zu erhöhen.“

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