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Nach dem Raketenangriff der russischen Armee auf die Kinderklinik von Ohmatdyt suchen Menschen nach Opfern.

© Imago/SOPA Images/Aleksandr Gusev

Update

„Kiewer Kotelett“ nach UN-Sitzung serviert: Russland empört nach Raketenangriff auf ukrainische Kinderklinik mit Menüwahl

Der Beschuss in Kiew erfolgte ausgerechnet am russischen Tag der Familie, Liebe und Treue. Nach dem Treffen des UN-Sicherheitsrats zu der Attacke löste auch der Menüplan Empörung aus.

Stand:

Der russische Raketenangriff auf die Ukraine am Montag, bei dem auch ein Kinderkrankenhaus in Kiew getroffen wurde, hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Selbst enge Verbündete des Putin-Regimes reagieren mit Sorge. Im UN-Sicherheitsrat sorgt die russische Delegation für einen Eklat.

Der Kreml sprach nach dem Angriff von einer PR-Kampagne Kiews. Das Krankenhaus sei nicht von einer russischen Rakete, sondern von einem ukrainischen Flugabwehrsystem getroffen worden. Das UN-Menschenrechtsbüro stützt diese Aussage allerdings nicht.

Nach neuesten Angaben wurden in der Okhmatdyt-Kinderklinik zwei Menschen getötet und 32 Personen verletzt – darunter acht Kinder –, teilte die Militärverwaltung der Stadt Kiew auf ihrer Website mit. In der Nacht zu Dienstag ist ein Kind tot aus den Trümmern geborgen worden, teilte der Katastrophenschutz der ukrainischen Hauptstadt mit.

„Ich möchte diesen Rat daran erinnern, dass Krankenhäuser nach dem humanitären Völkerrecht besonderen Schutz genießen. Vorsätzliche Angriffe auf ein geschütztes Krankenhaus sind ein Kriegsverbrechen und die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Joyce Msuya, die amtierende Chefin des UN-Nothilfebüros Ocha in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats am Dienstag.

China äußert sich nach Angriff in der Ukraine ungewöhnlich deutlich

Scharfe Kritik an den tödlichen russischen Angriffen kam auch aus Frankreich. Moskau habe „gezielt Wohnviertel und Gesundheitsinfrastruktur ins Visier genommen“, sagte der französische Botschafter bei den UN, Nicolas de Rivière. Frankreich verurteile „diese eklatanten Verstöße gegen das Völkerrecht“. Russland werde für seine Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen.

Da Russland im UN-Sicherheitsrat über eine Vetostimme verfügt, muss das Kreml-Regime allerdings keine sofortigen Konsequenzen fürchten. Ungewöhnlich fiel allerdings die Reaktion Chinas aus.

Pekings stellvertretender UN-Botschafter Geng Shuang stellte seinen Partner zwar nicht an den Pranger, sandte aber ein Signal an Russland: Die Kämpfe hätten sich in letzter Zeit leider nicht beruhigt, „sondern verschärft und es kam von Zeit zu Zeit zu brutalen Angriffen, die schwere Opfer forderten. China ist darüber zutiefst beunruhigt“, hieß es.

Wenn unschuldige Kinder ermordet werden, wenn man sie sterben sieht, schmerzt das Herz und dieser Schmerz ist unerträglich.

Narendra Modi, Indiens Regierungschef

Bereits am Dienstag hatte sich Indiens Regierungschef Narendra Modi bei einem Moskau-Besuch besorgt geäußert: „Wenn unschuldige Kinder ermordet werden, wenn man sie sterben sieht, schmerzt das Herz und dieser Schmerz ist unerträglich.“ Dennoch wolle Indien weiter eng mit Russland kooperieren.

Russland serviert „Kiewer Kotelett“

Für einen Eklat sorgte das von Russland gereichte Mittagessen im Anschluss an die Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Dienstag in New York. Russland sitzt dem Rat derzeit turnusgemäß vor. Wie die ukrainische Nachrichtenagentur „Ukrinform“ berichtete, stand „Kiewer Kotelett“ auf dem Speiseplan: paniertes Hühnerfleisch mit einer Kräuterbuttermischung, serviert mit Kartoffelstäbchen.

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Der ukrainische UN-Botschafter reagierte empört. „Die moralische Degradierung der russischen Diplomatie ist offensichtlich“, sagte Sergiy Kyslytsya der Nachrichtenagentur. Ihm zufolge sei die Kommunikation mit dem russischen UN-Botschafter Wassili Nebensja bereits jetzt für viele Diplomaten unerträglich.

Russland greift Ukraine am Tag der Familie an

Für Empörung in sozialen Netzwerken löste neben dem Angriff auf das Kinderkrankenhaus auch der Zeitpunkt der Attacke aus, berichtet die „Frankfurter Rundschau“. Vor zwei Jahren habe der russische Machthaber Wladimir Putin ein Dekret unterzeichnet, das den 8. Juli zu einem offiziellen Feiertag macht – um die Familie zu feiern.

Und so habe der Kreml-Herrscher – während Rettungstrupps in den Ruinen des Krankenhauses nach Vermissten suchten – in Moskau den Tag der Familie, Liebe und Treue begangen. „Für uns, für den Staat, kann es nichts Wichtigeres geben, als die Familie zu stärken“, soll Putin dem US-Nachrichtenportal „Newsweek“ zufolge am Montag vor Kindern gesagt haben.

„Der russische Staat hat beschlossen, diesen Tag mit dem Abschuss einer Rakete auf das größte Kinderkrankenhaus der Ukraine zu feiern“, reagierte ein Nutzer der Onlineplattform X (ehemals Twitter) auf den Angriff.

Ein anderer Nutzer schrieb: „Der Name Okhmatdyt steht für ‚Schutz der Mutterschaft und der Kindheit‘, und die russischen Offiziere haben diesen Namen auf ihren Karten buchstäblich ins Fadenkreuz genommen und auf den Abschussknopf gedrückt.“ Weitere Nutzer unterstellen den Russen Zynismus.

Krankenhaus als „direktes“ Ziel – Ukraine zeigt Belege für russische Rakete

Die Ukraine geht von einem gezielten Angriff aus. „Die Schlussfolgerungen der Experten sind eindeutig – es war ein direkter Angriff“, erklärt der Inlandsgeheimdienst SBU auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. Demnach wurde das Gebäude von einer russischen Rakete vom Typ Kh-101 Kalibr direkt getroffen.

Das ukrainische Justizministerium hat mittlerweile auch Belege für eine russische Rakete veröffentlicht.

„Spezifische Konstruktionsbesonderheiten der gefundenen Trümmerteile und entsprechende typische Markierungen zeugen vom Einsatz eines strategischen Marschflugkörpers des Typs Ch-101“, sagte Vizejustizminister Andrij Hajtschenko gemäß einer Mitteilung.

Derartige Raketen haben einen Sprengkopf mit einem Gewicht von etwa 400 Kilogramm und eine Reichweite von bis zu 5000 Kilometer. Es seien insgesamt mehr als 30 Fragmente der Rakete gefunden worden, darunter Teile des Triebwerks und der Flügel. Zuvor hatte bereits der ukrainische Geheimdienst SBU Fotos von Trümmerteilen einer Ch-101-Rakete vorgelegt. Der Kreml behauptet, das Klinikgebäude sei durch eine ukrainische Flugabwehrrakete getroffen worden.

Moskau widersprach den Schuldzuweisungen zuvor vehement: „Das ist natürlich eine PR-Aktion, in dem Fall eine auf Blut basierende PR-Aktion“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Die Ukrainer seien so ungeschickt beim Einsatz ihrer Flugabwehr gewesen, dass eine dieser Raketen im Krankenhaus eingeschlagen sei, behauptete er in einem Interview des russischen Staatsfernsehens. Nun versuche Kiew, diese Tragödie als Hintergrund für die Teilnahme von Präsident Wolodymyr Selenskyj beim Nato-Gipfel auszuschlachten.

Doch auch die Vereinten Nationen halten die ukrainische Version für „sehr wahrscheinlich“. Videoaufnahmen zeigten, dass die Klinik „direkt“ von einem in Russland gestarteten Marschflugkörper vom Typ Kh-101 getroffen worden sei, sagte die Leiterin der UN-Mission zur Beobachtung der Menschenrechte in der Ukraine, Danielle Bell. Es handele sich um „einen der ungeheuerlichsten Angriffe“ seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022.

Selenskyj kündigte an, dass das schwer beschädigte Kinderkrankenhaus wieder aufgebaut werde. 100 Millionen Hrywnja (umgerechnet 2,3 Millionen Euro) seien für die Unterstützung des Krankenhauses bereits angewiesen worden, weitere 300 Millionen Hrywnja würden folgen, sagte Selenskyj.

Er dankte allen privaten Spendern, die die Klinik unterstützt haben und versprach allen Familien Hilfe, deren Angehörige bei der Attacke getötet oder verletzt wurden. (mit Agenturen)

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