
© dpa/Kay Nietfeld
Netanjahus Rede in der UN-Vollversammlung: Israels Premier sendet Botschaft direkt an Geiseln und Hamas
Israels Premierminister eröffnet Tag vier der UN-Generaldebatte. Zu Beginn seiner Rede gibt es Proteste im Sitzungssaal in New York.
Stand:
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die in den vergangenen Tagen erfolgte Anerkennung eines Palästinenserstaats durch mehrere westliche Länder in einer Rede bei den UN mit harschen Worten verurteilt.
Diese Länder hätten mit ihrem Schritt der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas „nachgegeben“, sagte Netanjahu am Freitag in seiner Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen.
„Ihr habt etwas schrecklich Falsches getan“, sagte der israelische Regierungschef an die Adresse der westlichen Staatenlenker, die zuletzt Palästina offiziell anerkannt hatten. „Es wird ein Schandmal auf Euch allen sein.“ Netanjahu erhob den Vorwurf, dass durch diesen Schritt der Terrorismus gegen Israel befördert werde.
Die Anerkennung eines eigenen Staates für die Palästinenser war in den vergangenen Tagen unter anderem von Frankreich, Großbritannien, Portugal, Kanada und Australien vollzogen worden. Damit wollen diese Regierungen die Bemühungen um die sogenannte Zweistaatenlösung neu beleben, welche die friedliche Existenz eines Palästinenserstaats an der Seite Israels vorsieht.
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Deutschland ebenso die USA gehören jedoch nicht zu den inzwischen mehr als 150 Staaten, die einen Palästinenserstaat anerkennen.
An die Adresse der westlichen Regierungen, welche die Anerkennung eines solchen Staates zuletzt vollzogen hatten, sagte Netanjahu in seiner UN-Rede, sie hätten damit „eine sehr klare Botschaft“ ausgesandt: „Die Ermordung von Juden zahlt sich aus.“ Er bezog sich damit auf den Großangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg ausgelöst hatte.
Viele Sitze bleiben leer
Den Palästinensern einen eigenen Staat zu geben sei so, als hätte man „Al Quaida nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA einen Staat in der Nähe von New York gegeben“, sagte Netanjahu. Israel werde nicht zulassen, dass westliche Staaten ihm einen „Terrorstaat“ aufzwängen.
Zu Beginn von Netanjahus Rede verließen Dutzende Diplomaten den Sitzungssaal. Sie gingen aus Protest in langen Schlangen aus dem Raum in New York. Dieser war am zu Beginn der Sitzung ohnehin nur spärlich gefüllt. Netanjahu wartete mit stoischem Blick am Podium den Protest ab und erhielt währenddessen auch vereinzelten demonstrativen Applaus, vor allem aus Israels Delegation. Während seiner Worte gab es weitere Zwischenrufe.
Netanjahu sendet Botschaft direkt in Gazastreifen
Seine Rede adressierte Netanjahu zudem direkt die in der Gewalt der Hamas verbliebenen Geiseln. Seine Ansprache würde über Lautsprecher in den Gazastreifen übertragen, sagte er. „Unsere mutigen Helden. Wir haben euch nicht vergessen. Wir werden euch nachhause bringen.“ Seine Botschaft trug er zunächst in Hebräisch, dann in Englisch vor.
Nach der Einschätzung des Politikwissenschaftlers Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik versuchte der israelische Premier damit nicht zuletzt, die Bevölkerung daheim auf seine Seite zu ziehen. Das könnte sich als schwierig erweisen. „Denn gerade den unbedingten Willen zur Befreiung der Geiseln, die er in seiner Ansprache unterstrich, glaubt ihm eine Mehrheit in Israel schon lange nicht mehr“, sagte Lintl dem Tagesspiegel.
An die Hamas richtete Netanjahu eine martialische Drohung. Diese werde auch auf deren Handys im Gazastreifen übertragen, so der Premier. Er forderte die Terrororganisation auf, die Waffen niederzulegen und alle Verschleppten freizulassen. „Wenn ihr das tut, werdet ihr leben. Wenn nicht, wird Israel euch jagen.“
In Netanjahus Rede gab es sehr viel Schmeichelndes Richtung USA und deren Präsident Trump.
Peter Lintl, Stiftung Wissenschaft und Politik
Politikwissenschaftler Lintl zufolge bediente sich Netanjahu in seiner Rede vor allem einer Schwarz-Weiß-Rhetorik: „Der Premier sieht die zivilisierte Welt im Kampf gegen die Barbaren. Dazu gab es eine Warnung vor Beschwichtigungspolitik sowie sehr viel Schmeichelndes Richtung USA und deren Präsidenten Donald Trump“, sagte der Politikwissenschaftler. Netanjahu dankte Trump in seiner Rede mehrfach für dessen Unterstützung.
Netanjahu halte zudem an seiner Vision für den Nahen Osten fest: Frieden komme allein durch die militärische Stärke Israel – und einen palästinensischen Staat werde es nicht geben. „Damit verweigert er sich klar dem von mehr als 100 Staaten unterstützten Vorhaben Frankreichs und Saudi-Arabiens, das gerade eine Entwaffnung der Hamas und Sicherheitsgarantien für Israel im Rahmen eines Weges zur Zweistaatenlösung vorsieht.“
Am Vortag hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sich in einer Videoansprache an die UN-Vollversammlung scharf von der Hamas und ihrem Angriff auf Israel distanziert. Er versicherte, dass der Überfall vom 7. Oktober 2023 „nicht das palästinensische Volk repräsentiert“ und schloss die Beteiligung der Hamas an einer künftigen Palästinenserregierung strikt aus.
Neben Netanjahu stehen am Freitag unter anderem die Vertreter Chinas und Großbritanniens auf der Rednerliste. Die Generaldebatte läuft – mit einer Pause am Sonntag – bis einschließlich Montag. Auf dem Programm standen Reden der mehr als 140 Staats- und Regierungschefs.
Im Zentrum stehen neben dem Nahost-Konflikt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie die finanziell schwierige Lage der Vereinten Nationen und die weltpolitische Rolle der USA. Deutschland wird von Außenminister Johann Wadephul (CDU) vertreten, der am Samstag sprechen soll. (mit Agenturen)
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