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Thank God It’s International Friday 7: „Nur wer es nicht versucht, hat schon verloren“, sagt Jimmy Carter
Die Themen der Woche: Droht der Krieg zwischen Israel und Iran? | FPÖ-Sieg in Österreich | Ukraine-Krieg: Russische Armee erobert Wuhledar

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„Niemand von uns hätte gedacht, dass der Krieg heute immer noch im Gang ist“, sagte mir der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert vergangene Woche im Gespräch. Vor einem Jahr war er mein erster Interviewpartner nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober gewesen. Nun sprachen wir darüber, wie sich sein Blick auf die Lage seitdem verändert hat.
„Alles, was man mit militärischer Macht erreichen kann, hat Israel erreicht“, sagt Olmert. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wirft er vor, sich gegen jede Veränderung zu sperren, die ein Ende der Kriege bedeuten könnte.
Iranischer Raketenangriff auf Israel
Gleich zweimal musste ich Ehud Olmert nach unserem eigentlichen Interview noch anrufen. Denn eine neue Entwicklung jagte die andere. In der Nacht zum Dienstag startete Israel seine Bodenoffensive im Libanon. Und am Dienstagnachmittag erreichten uns die Warnungen, dass ein Raketenangriff des Iran auf Israel unmittelbar bevorstehe.
Dass der Iran derzeit ein Interesse daran hat, einen regionalen Krieg zu starten, sieht Olmert nicht. Ich glaube auch nicht daran. Mit dem Abschuss der Raketen auf Israel wollte das Regime in Teheran vor allem ein Signal an die Hardliner in der eigenen Bevölkerung senden. Der Iran, dessen militärisches Atomprogramm nicht mehr weit von der Vollendung entfernt ist, wird derzeit allerdings genau beobachten, wie der Westen vor Putins nuklearem Säbelrasseln zittert, argumentiere ich in meinem Kommentar.
Ukraine-Krieg: Russische Armee erobert Wuhledar
Diese Woche fand wieder das Warsaw Security Forum statt, das für mich immer ein Jahreshighlight ist: sicherheitspolitische Expertise auf höchstem Level in familiärem Setting. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass die Ukraine in größter Gefahr ist. Dass es der russischen Armee dann am Mittwoch gelang, die ukrainische Stadt Wuhledar zu erobern, hat in aller Brutalität vor Augen geführt, wie verzweifelt die Ukraine auf die Unterstützung des Westens angewiesen ist.
Der Wunsch vieler nach einer schnellen Beendigung des Kriegs ist nachvollziehbar. Aber solange der Wunsch nicht von der Ukraine selbst ausgeht, haben wir kein Recht, sie dazu zu drängen, mit Blick auf ihr Staatsgebiet irgendwelche Kompromisse einzugehen. Die Ukraine ist Opfer einer Aggression geworden. Kommt ein Diktator wie der russische Präsident Wladimir Putin damit durch, mit Gewalt Grenzen neu zu ziehen, wird eine gefährliche Präzedenz geschaffen. Das darf der Westen um keinen Preis zulassen.
Rechtsruck in Österreich: Keiner mag mit Kickl
In Österreich ist es am vergangenen Sonntag zum befürchteten Wahlsieg der rechtspopulistischen FPÖ gekommen. Nun ringt das Land um die Bildung einer Regierung. Am heutigen Freitag hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl empfangen, um mit ihm über die Regierungsbildung zu sprechen. Dazu, was die beiden miteinander besprochen haben, möchte sich Kickl jedoch erst am morgigen Samstagvormittag äußern.
Welche Rolle Van der Bellen spielt, hat Ihnen meine Kollegin Sandra Lumetsberger aufgeschrieben. Patrick Guyton analysiert, wie die FPÖ dank ihrer Medienmacht und eigenen medialen Parallelwelt den Wahlsieg errungen hat. Und Robert Misik geht der Frage nach, wie der FPÖ-Erfolg über Österreichs Grenzen hinaus wirkt und in Europa die Fraktion der „Putin-Freunde“ stärkt.
Der Hoffnungsspender: Jimmy Carter wird 100
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich in meiner Zeit beim Tagesspiegel bereits gefragt wurde, ob wir einen Nachruf auf Jimmy Carter vorbereitet hätten. Denn schon mehrmals herrschte große Sorge um den Gesundheitszustand des 39. Präsidenten der Vereinigten. Umso mehr freut es mich, dass Carter am Dienstag seinen 100. Geburtstag feiern konnte. Und schließlich hat er ja noch etwas vor: Er will bei den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November für Kamala Harris stimmen (beziehungsweise zur Sicherheit lieber etwas früher per Briefwahl).
Meine Kollegin Juliane Schäuble, die US-Korrespondentin des Tagesspiegels, hat mit Carters Biographen Stuart Eizenstat gesprochen. Wärmste Leseempfehlung! Denn Eizenstat erklärt, warum Carter zu Unrecht als bedeutungsloser „one-term President“ abgetan wird und welche diplomatischen Meisterleistungen ihm zu verdanken sind.
Was Jimmy Carter nach seiner Präsidentschaft so alles geleistet hat, hat mein Kollege Richard Friebe aus dem Wissenschaftsressort in zwei wunderbaren Texten für Sie zusammengetragen: „Der Wurm des Präsidenten“ und „Als der US-Präsident an die Aliens schrieb“.
Mein Lieblingszitat von Carter lautet übrigens: „The only failure is not trying.” Nur wer es nicht versucht, hat schon verloren.
Lust auf Debatte?
Hat Ihnen das TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten JD Vance und Tim Walz diese Woche Lust darauf gemacht, über die US-Wahl zu diskutieren? Dann sind Sie herzlich eingeladen, dies am kommenden Mittwoch bei der Leibniz-Gemeinschaft in Berlin zu tun.
Dort werde ich mit Tagesspiegel-Kolumnistin Nicole Deitelhoff (Peace Research Institute Frankfurt & Goethe-Universität Frankfurt), Julia Friedlander (Atlantik-Brücke) und dem MdB und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth unter anderem darüber sprechen, welche Auswirkungen der Wahlausgang auf die Demokratie haben wird. Zur Anmeldung geht’s hier.
Bereits am Dienstag können Sie sich mit zahlreichen Expertinnen und Experten wie Sandra Dahlke (Max-Weber-Netzwerk Osteuropa), Katrin Kinzelbach (FAU Erlangen-Nürnberg) und Kristin Shi-Kupfer (Universität Trier) über Wissenschaftsfreiheit austauschen.
Academic freedom and science diplomacy: How to deal with new risks in international cooperation and global inequalities in academia? lautet der Titel der Veranstaltung, die von der ZEIT-Stiftung, der Volkswagen-Stiftung und dem Tagesspiegel in der Staatsbibliothek zu Berlin ausgerichtet wird. Hier erfahren Sie mehr.
Das war’s von mir für heute. Was hat Sie diese Woche besonders beschäftigt? Schreiben Sie es mir gerne in den Kommentaren.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bis nächsten Freitag!
Herzlich Ihre Anja Wehler-Schöck
P.S.: Vielen Dank wie immer an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Sarah Achilles für die Graphik!
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