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Kultursenator Klaus Lederer, Georg Scharegg, Angela Kittler und Michael Müller (v.l.) im Theaterdiscounter.

© Tito Loria/hHeaterdiscounter

15 Jahre Theaterdiscounter: Im besten Flegelalter

Sektkorken und wilde Tage: Der Theaterdiscounter feiert 15. Geburtstag - und muss eine Mietverdoppelung verkraften.

Wie schnell die Zeit vergeht, das merkt man an den Kindern. Grade noch in den Babyschuhen, plötzlich schon in der Pubertät. Genau wie der Theaterdiscounter in Mitte: Eine der verdientesten Institutionen der Freien Szene Berlins ist soeben 15 Jahre alt geworden. Bestes Flegel-Alter. Offene Zukunft und ein pralles Album voll Erinnerungen an wilde Tage. Es gibt sogar Menschen, die sind quasi im Theaterdiscounter aufgewachsen. Zum Beispiel die älteste Tochter von Kerstin Böttcher, die dort seit Stunde Null höchst verdienstvoll die Pressearbeit managt. Das Kind ist nun auch schon 14 und lässt anlässlich der Geburtstagsfeier mit Freunden und Gästen diese spezielle Sozialisation Revue passieren. Darunter ein Stück, Titel vergessen, das sie in Grundschultagen gesehen hat. Eine Schwangere kam darin vor und ein Metzger, soviel weiß sie noch. Behaupte niemand, die Freie Szene bereite einen nicht auf das Leben vor!

Das Jubiläum des Theaterdiscounters ist jedenfalls ein erfreuliches und gar nicht so selbstverständliches Ereignis. Schließlich hat die Bühne eine ziemlich wechselhafte Migrations-, Vertreibungs- und Bedrohungsgeschichte hinter sich. Und sie steht auch mit 15 Jahren nicht auf so sicheren Beinen, wie es ihr zu wünschen wäre.

Gegründet wurde die Kunstschleuder mit dem klingenden Schnäppchen-Namen von Georg Scharegg und wackeren Mitstreitern in einer ehemaligen Packhalle im Telegrafenamt an der Monbijoustraße, wo er Anfang 2008 weichen musste. Es folgte ein Jahr des Nomadisierens durch befreundete Spielstätten. Bis sich 2009 die Räume im vormaligen Fernmeldeamt Klosterstraße 44 auftaten, wo der Discounter heute noch residiert. Wenngleich in durchaus unterfinanziertem Zustand. Zwischendrin kam sogar mal eine besonders tollkühne Senats-Jury auf die Idee, mit dem Haus hopp oder topp zu spielen: die Institution solle nicht weiter gefördert werden, es sei denn, irgendwo ließe sich das Geld auftreiben, um ihr die Förderung zu erhöhen. Ein Vabanque-Irrsinn, der am Ende glücklich ausging.

"Ich kann nicht den Kapitalismus aufhalten", bedauert Klaus Lederer

Jetzt also steht der amtierende Kultursenator Klaus Lederer auf der Bühne und würde neben Glückwünschen gerne auch ein dickes Geldgeschenk überbringen, aber das geht leider nicht. Er könne auch nicht „den Kapitalismus aufhalten“, bedauert Lederer, wobei es nicht wenige in Berlin gibt, die ihm das eigentlich zugetraut hätten. Die Immobilie, die den Theaterdiscounter beherbergt, gehört mittlerweile privaten Investoren. Im kommenden Jahr verdoppelt sich die Miete von 80 000 auf 160 000 Euro. „Wir gucken, was wir tun können, damit die Mehrbelastung aufgefangen wird“, verspricht Lederer. Was ihm anzurechnen ist. Fakt bleibt aber auch, dass der Theaterdiscounter – den Georg Scharegg mittlerweile zusammen mit Michael Müller leitet (nicht der Regierende) – dauerhaft einen höheren Produktionsetat benötigen würde.

Doch erstmal genug vom Geld. Ein Geburtstag verlangt schließlich nach Sektkorken und Hochlebenlassen, in welcher Form auch immer. Nebenbei: Besser nicht so, wie es der grüne Abgeordnete Notker Schweikhardt versucht. Der bescheinigt dem Theaterdiscounter, er sei „zu unbequem, um unter dem Radar durchzutauchen und sich durchfüttern zu lassen“ und beschwört überhaupt das Bild einer letzten anarchischen Trutzburg inmitten der kulturellen Wüstenei von Konsens-Zombies. Nett gemeint. Aber es geht auch etwas realistischer.

Eine Plattform für Entdeckungen

Der Theaterdiscounter segelt bis heute, nicht zuletzt wegen seines Budgets, im Windschatten von Häusern wie dem HAU oder den Sophiensälen (Annemie Vanackere und Franziska Werner zählten zu den Partygästen), bewährt sich aber mit bewundernswerter Beharrlichkeit als Plattform für Entdeckungen. In jüngerer Zeit etwa das spannende Musiktheaterkollektiv Glanz & Krawall. Oder die ungarische Künstlerinnentruppe nomerMaids („Wann hast du zuletzt auf der Spitze eines Berges Sex gehabt?“). Überhaupt, etliche stolze Karrieren haben hier ihren Ausgang genommen. Das Geburtstagsprogramm bietet einen Querschnitt davon.

Discounter-Mitgründer Patrick Wengenroth zum Beispiel – der zur Feier des Tages zusammen mit Anja Caspari ein schönes Peter-Licht-Interview reenacted – ist mit seiner „Planet Porno“- Reihe so berühmt geworden, dass er es bis zum Leiter des Augsburger Brecht- Festivals bringen konnte. Mit Eva Löbau hat der Discounter eine echte „Tatort“- Kommissarin im assoziierten Schöpferinnen-Kreis (die zusammen mit Georg Scharegg in der Partynacht erstaunlich gut die eigene ZDF-Serie „Lerchenberg“ parodiert). Und ein Cornelius Schwalm, ebenfalls verdienter Discounter-Protagonist der frühen Stunde, bringt Ausschnitte aus seinem blitzgescheiten Low-Budget-Film „Hotel Auschwitz“ mit, der grade sehr erfolgreich beim „Achtung Berlin“-Festival lief.

„Kulturräume sichern“, das ist eins der erklärten Anliegen von Klaus Lederer. Klar, die Gründerzeit in der Freien Szene ist Geschichte, eine neue unter vergleichbaren Vorzeichen wird es nicht geben. Aber hoffentlich noch viele Geburtstage zu feiern.

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