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Barocke Pracht. Blick ins Innere der Bildergalerie, die unmittelbar östlich an das berühmtere Schloss Sanssouci anschließt.

© dpa

250 Jahre Bildergalerie Sanssouci: Friedrichs Bildungstempel

Sie ist der älteste noch erhaltene Museumsbau in Preußen: Die Bildergalerie in Sanssouci besteht seit 250 Jahren. Das Jubiläum feiert sie mit der Gemälde- und Skulpturenausstellung "Die Schönste der Welt".

Äußerlich wirkt die über achtzig Meter lange Bildergalerie im Park Sanssouci eher schlicht, im Innern aber überwältigt barocke Pracht. Helles Licht fällt durch die hohen Fenster, weiß-gelb leuchtet der kostbare Marmorfußboden. Auch die Südwand zum Park hin ist mit wertvollem Marmor verkleidet. Dicht an dicht hängen die Gemälde auf der gegenüberliegenden Seite, darüber wölbt sich eine mit vergoldetem Stuck reich verzierte Decke. Die 1763 vollendete Galerie ist der älteste noch erhaltene Museumsbau in Preußen und mit seiner programmatischen Ausstattung einer der schönsten Galeriebauten weltweit.

So weit die Hülle. Die berühmteren Kunstwerke befinden sich heute in Berlin, in London, in Paris oder anderswo. Sie haben das Haus verlassen. Kaum jemand pilgert deswegen nach Sanssouci. Das war vor 250 Jahren anders: „Um die Galerie zu sehen, unternehmen hier alle Menschen von Geschmack und alle Kunstkenner die Reise von Berlin nach Potsdam“, berichtete der Kunstberater Friedrichs des Großen, der Marquis d’Argens 1760 seinem König, der während des Siebenjährigen Krieges noch im Feldlager weilte, in einem Brief. Da war das Gebäude noch im Bau. Und ein Jahr später schmeichelte er seinem Dienstherrn gar: „Was die Galerie betrifft, so ist sie unbestritten – nach St. Peter in Rom – das Schönste, was es auf der Welt gibt.“

Von diesem Zitat leiht sich die am Donnerstag eröffnete Sonderausstellung zum 250. Geburtstag der Galerie ihren Titel: „Die Schönste der Welt“. Sie unternimmt den Versuch, trotz gravierender Verluste im 19. Jahrhundert und vor allem nach 1945 die Erstausstattung mit Kunstwerken wenigstens annähernd zu rekonstruieren. „Wir wollten die Skulpturen präsentieren, die im 18. Jahrhundert hier waren und die Gemälde in einer Visualisierung so darstellen, dass sich der Besucher den friderizianischen Zustand der Galerie vorstellen kann“, so Projektleiterin Saskia Hünecke. In Vitrinen vor der Bilderwand geben historische Pläne und Ansichten einen Eindruck von der historischen Galerie, Fotos der Gemälde rekonstruieren den Wandaufbau. Die vielen Schwarz-Weiß-Aufnahmen lassen die Fehlstellen erkennen. Denn trotz der für heutige Besucher nach wie vor ungewohnt dichten Hängung ist der Bestand der Potsdamer Sammlung in 250 Jahren um etwa zwei Drittel geschrumpft.

Mit der Gründung des Königlichen Museums am Lustgarten 1830 musste die Bildergalerie sämtliche Skulpturen und etliche Altmeister nach Berlin abgeben. Jetzt sind zumindest die antiken Skulpturen für einen Sommer von der Museumsinsel nach Potsdam an den Ort zurückgekehrt, für den sie Friedrich II. erworben hatte: die bezaubernde Figur der Knöchelspielerin oder die Gestalt einer mythischen Mänade mit gedrehtem Oberkörper sind bewegte sinnliche Bildwerke, die nun im Dialog mit den Gemälden neue Geschichten erzählen können. So wiederholt sich die Körperbewegung der Skulptur in van Dycks Darstellung „Armida und Rinaldo“ ebenso wie in dem Bild eines sterbenden Kentauren aus der Rubens-Werkstatt. Auf der östlichen Seite stehen antike Büsten Werken der italienischen Hochrenaissance gegenüber, auch hier lassen sich Verbindungen herstellen, etwa zwischen einer römischen Büste und einem Gemälde von Carlo Maratta über die Auffindung von Romulus und Remus, auf dem ein ähnlicher Römer dargestellt ist. Die Ausstellung in Friedrichs Bildergalerie zeigt, wie sich Skulpturen und Bilder gegenseitig bereichern – und liefert damit den Staatlichen Museen mit ihrem Plan der Zusammenführung der Gattungen auf der Museumsinsel eine Vorlage.

1755 hatte Friedrich II. den ersten eigenständigen Galeriebau in Preußen bei seinem Hofbaumeister Johann Gottfried Büring in Auftrag gegeben. Zugleich engagierte er Kunstagenten in ganz Europa, um antike Skulpturen und Alte Meister für seine Sammlung zusammenzutragen. Mit seiner Galerie wollte er Kennerschaft ebenso wie Macht und Reichtum Preußens demonstrieren. Ungewöhnlich war die Hängung nach Schulen: Im Westflügel befinden sich die flämischen und holländischen Meister, im östlichen Flügel die Italiener der Hochrenaissance. Nach Friedrichs Tod 1786 erlebte die Galerie einschneidende Veränderungen, die in der Abgabe von Skulpturen und Gemälden 1830 ins Museum nach Berlin mündeten. Andererseits kam das heutige Spitzenstück, der „Ungläubige Thomas“ von Caravaggio, erst dann in die Galerie.

Die Rekonstruktion der Bilderwände in der großen Galerie war schon wegen der Kriegsverluste nicht möglich, die Stiftung vermisst noch immer etwa 90 Gemälde aus dem Bestand. In dem auf ausdrücklichen Wunsch Friedrichs angefügten Kabinett am östlichen Ende der Galerie, wo die kleineren Formate, Niederländer und Italiener nach Themen gemischt und nach Schülern und Lehrern sortiert gezeigt werden, gelang zumindest eine Annäherung. Die neue Hängung orientiert sich am historischen Konzept. Integriert sind auch sieben Gemälde, die vor zwei Jahren durch einen Zufall nach Potsdam zurückgekehrt sind. Die Rubens-Kopie „Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers“ fügt sich jetzt mit einer sterbenden Kleopatra an der Ostwand des Kabinetts zu einer Kontemplation über Liebe, Tod und ausschweifendes sinnliches Leben. Die Ausstellung ist eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert und ein Lehrstück über die Schule des Sehens. Friedrichs Kunsttempel war mehr als eine Demonstration von Reichtum und Macht. Er war ein Bildungstempel in umfassendem Sinn.

bis 31. 10., Infos: www.spsg.de

Sigrid Hoff

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