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Vom "Soldaten Liederbuch" verkaufte der Schott-Verlag acht Millionen Exemplare.

© Schott-Archiv, Mainz

250 Jahre Schott-Verlag: Gute Noten, schlechte Noten

Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung: Albrecht Dümling untersucht die Rolle des Musikverlags Schott im „Dritten Reich“.

Der 1770 gegründete Schott-Verlag aus Mainz ist eines der ältesten Verlagshäuser für Noten und Musikbücher überhaupt, das gesamte Werk von Richard Wagner wurde hier ediert, stets lag ein Fokus auf dem Zeitgenössischen. Enge Beziehungen pflegten die Verleger in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu Igor Strawinsky, Carl Orff und Paul Hindemith, heute stehen hier Stars der Szene wie Aribert Reimann, Krzysztof Penderecki oder Jörg Widmann unter Vertrag.

Einen blinden Fleck aber gab es bisher in der stolzen Firmengeschichte – und den wollte der heutige Geschäftsführer Peter Hanser-Strecker nun anlässlich des 250. Gründungsjubiläums endlich wissenschaftlich beleuchten lassen. Es geht dabei um die Rolle, die der Schott-Verlag während der Zeit des Nationalsozialismus spielte. Hanser-Strecker wandte sich an einen ausgewiesenen Spezialisten.

Albrecht Dümling, der von 1978 bis 1998 auch Kritiken fürs Tagesspiegel- Feuilleton schrieb, wurde mit der Rekonstruktion der Propaganda-Ausstellung „Entartete Musik“ bekannt, er leitet seit 1992 den Berliner Verein „Musica Reanimata“, der sich für die Wiederentdeckung von verfemten Komponisten einsetzt, und als er 2007 den mit 75 000 Euro dotierten Kairos-Preis erhielt, nutzte er das Geld, um das Schicksal von deutschen Exil-Musikern in Australien zu erforschen.

Im Con brio Verlag hat Dümling jetzt seine Rechercheergebnisse zur Schott- Historie im „Dritten Reich“ veröffentlicht. Der Buchtitel „Anpassungsdruck und Selbstbehauptung“ zeigt an, dass hier keine eindeutige Zuschreibung möglich ist. Denn wie so viele Unternehmer verhielten sich auch die Brüder Ludwig und Willy Strecker, die damals den Schott-Verlag leiteten, dem NS-Staat gegenüber ambivalent. Ludwig war Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei und damit erklärter Antikommunist. Er sah zunächst in der Hitler-Bewegung „viel Gesundes und Begrüßenswertes“, und doch fiel er 1933 bei den Vorstandswahlen zum Musikalien-Verleger-Verein durch, wegen der „judenfreundlichen Einstellung“ von Schott.

Wirtschaftlich lief es gut für den Verlag

Mit Ernst Toch, der seit 1923 in Mainz unter Vertrag stand, hielten die Strecker-Brüder auch nach dessen Flucht in die USA weiter Kontakt, ebenso zu Fritz Kreisler und Erich Wolfgang Korngold. Besonders intensiv setzten sie sich für Paul Hindemith ein, der zwar einen „Ariernachweis“ erbringen konnte, aber sowohl wegen einer jüdischen Ehefrau als auch seiner avantgardistischen Tonsprache in der Kritik stand. Über das Aufführungsverbot gegen Hindemith wachte Hitler persönlich. Dennoch veröffentlichte der Schott-Verlag bis 1943 weiter neue Kompositionen ihres hochgeschätzten Exklusivkünstlers.

Gegen Schmähungen seiner Komponisten in der gleichgeschalteten Presse opponierte der Verlag aber nicht öffentlich, brachte vielmehr aus wirtschaftlichen Beweggründen neben anspruchsvollen zeitgenössischen Werken auch Marschmusik und völkisches Liedgut heraus.

Schott wollte "arisierte" Verlage kaufen

Fast acht Millionen Exemplare kaufte die Wehrmacht vom „Soldaten-Liederbuch“, die Notensammlung „Neues Deutschland“ erhielt ein Titelbild mit markantem Hakenkreuz und von der „Siegesfanfare“ aus Liszt „Les Préludes“, die alle militärischen Sondermeldungen einleitete, erschien umgehend eine Klavierfassung im Verlagsprogramm.

Obwohl die Eigentümer den von Hitler begonnenen Krieg ablehnten, profitierten sie doch davon, dass die besetzten Gebiete „germanisiert“ wurden, dort also auch jede Menge neue Notenarchive angelegt und deutsche Volksopern aufgeführt wurden.

Ebenso zeigten die Strecker-Brüder keine Hemmungen, sich um Firmen aus ehemals jüdischem Besitz zu bemühen, die zuvor „arisiert“ worden waren. Den Zuschlag bekamen sie allerdings weder bei der Wiener Universal Edition noch bei Peters in Leipzig – beide Traditionshäuser gingen an systemtreuere Konkurrenten.

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