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„Horse Opera“, der Berlinale-Forums-Beitrag von Moyra Davey.

© Moyra Davey

73. Berlinale : Sehnsucht nach der Menge

Das Forum zeigt „Horse Opera“, einen Essayfilm über das Landleben im Lockdown und die Erinnerung an New Yorker Partys.

Selbst der Blick ist verengt. Die kanadische Filmemacherin Moyra Davey hat sich wegen der Pandemie aufs Land zurückgezogen. Füttert die Vögel, bandagiert die Fesseln der Pferde auf dem Hof, schaut zu, wie der Schnee vom Dach tropft, und legt schwarze Kreisblenden rund um die Bilder in ihrem im Forum gezeigten Essayfilm „Horse Opera“, einem der wenigen Beiträge im Festivalprogramm, die zumindest indirekt von Corona erzählen.

New York ist weit weg im Lockdown auf der Pferdefarm, und während die Pferde auf der Weide gähnen und pissen, läuft „Elle“ - so heißt die Regisseurin im Film - im Haus zwischen abgelebten Sachen herum, und spricht Texte auf. Oft tut sie es stockend, als gelte es, eine schwer lesbare Schrift zu entziffern.

Es sind Erinnerungen an exzentrische Partys in New York City und in Queens, an durchgefeierte Wochenenden und Drogengeschichten, an das Clubleben vergangener Tage, vergangener Jahrzehnte. Archäologie einer fern gerückten Gegenwart. Offenbar handelt es sich nicht nur um eigene Texte, sondern auch um etwas ältere aus wilden Greenwich-Village-Zeiten von Autorinnen wie Elizabeth Hardwick, mit manchmal poetischen, leise sich selbst ironisierenden Sätzen. Dazu Nina Simone, „Here Comes the Sun“.

Und immer wieder das Fell der Pferde, ihre zitternden, zuckenden Muskeln. Hier die Leiber der Tiere, auch von Hunden und Rehen, selbst ein Braunbär trollt sich vor die Videokamera. Dort, auf der Tonspur, die Körper der Tanzenden, der Nachhall des Rauschs in den Texten, die Beschreibung der exzentrischen Outfits feiernder Menschen.

Moyra Davey, die auch als Fotografin einen Namen hat, nutzt die Text-Bild-Schere, um vom Bei-sich-Sein und der Sehnsucht nach Gemeinschaft zu erzählen, von Vereinzelung und Selbstentfremdung im Gegensatz zur kollektiven Ekstase. Ein Kontrast, den wir ohnehin kennen, nicht nur aus der Zeit, als das öffentliche Leben wegen des Virus verschwunden war. Und von dem wir wissen, dass er manchmal gar nicht existiert. Einsamkeit gibt es auch in der Menge.

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