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Jubiläumsauktion im Hause Dr. Irene Lehr: Adresse für Etabliertes und Entdeckungen

Das Auktionshaus Dr. Irene Lehr lädt zur 50. Versteigerung. Mit dabei sind Toplose von Alexander Kanoldt, Hermann Glöckner und Werner Tübke.

Diskret und aufmerksam der Blick, das glatte Haar wird von einem Tuch zurückgehalten. Mit dem „Bildnis Gisela Schulz“ porträtierte Werner Tübke seine Galeristin zu Zeiten der DDR – nach dem Schönheitsideal der italienischen Renaissance. Nur das dunkle Jackett und der gestreifte Pullover erinnern daran, dass das Porträt in den 60er Jahren in Leipzig entstand.

Im Hintergrund hängt ein Gemälde im goldenen Rahmen; nur ein Ausschnitt ist zu sehen, mit weiteren Figuren an einem Strand, Bekleideten und Nackten. Es handelt sich um eine Variante von Tübkes Werk „Großes Strandbild“,das er kurz zuvor fertigstellte. Auf dem „Bildnis Gisela Schulz“ vereint er die Liebe zur Ostsee mit einer Hommage an die beiden wichtigsten Frauen in seinem Leben. Seine Ehefrau Angelika Tübke malte der Künstler als nachdenkliche Aktfigur hinter Gisela Schulz, die ihre Galerie 1973 gemeinsam mit ihrem Mann ins Leben gerufen hatte. Sie durfte als eine der wenigen privat agieren, neben dem staatlichen Kunsthandel. Konflikte mit der offiziellen Kulturpolitik gab es genug.

Das mit 90 000 Euro taxierte Werk gehört zu den Highlights der Jubiläumsversteigerung im Berliner Auktionshaus Dr. Irene Lehr, das 1995 gegründet wurde. Am 4. Mai findet dort die 50. Versteigerung statt, die Preview geht noch bis Donnerstag. Neben der DDR-Avantgarde legt das Haus seinen Schwerpunkt auf Werke des 20. und 21. Jahrhunderts, mit Künstlern der klassischen Moderne wie Beckmann, Pechstein, Gustav Klimt oder Richard Oelze, mit Arbeiten von Markus Lüpertz, Georg Baselitz und Marwan.

Höchster Schätzwert für Kanoldts "Stillleben mit Agave und Krug"

Zum Jubiläum versammelt Lehr viele hochkarätige Namen, sonst setzt das Haus auch auf übersehene Künstler, auf Entdeckungen und Wiederentdeckungen. Weitere Toplose der Auktion sind „Verschränkung von Kühl und Warm auf Kupfer“, eine frühe Arbeit des Konstruktivisten Hermann Glöckner (80 000 Euro), Uwe Lausens „o. T. (Rosamund)“ und Klimts „Mädchenakt, sitzend von vorne“ (beide 60 000 Euro).

Das Katalog-Cover ziert das „Stillleben mit Agave und Krug (Stillleben VII 1926)“ von Alexander Kanoldt, das mit einem Schätzpreis von 100 000 Euro teuerste Bild der Auktion. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war die Neue Sachlichkeit aus dem Anspruch heraus entstanden, den Krieg und seine traumatischen Folgen mit angemessener Nüchternheit abzubilden. In der namensgebenden Ausstellung 1925 in der Kunsthalle Mannheim stand Alexander Kanoldt mit 15 Bildern im Mittelpunkt. Das Stillleben, reduziert auf einen kleinen Raumausschnitt, gehört zu seinen späteren Arbeiten. Auf Reisen durch die Schweiz und Italien hatte der Maler eine Faszination für die üppige Vegetation rund um Olevano und Rom entwickelt. Das tiefe Grün der exotischen Pflanzen kontrastiert mit einem ockerfarbenen Vorhang, mit Krug und Tisch vor einer blauen Wand. Die Pflanzen dominieren das Motiv mit stolzer, eindringlicher Ruhe.

Der Kunsthandel Lehr zeigt auch Ausstellungen mit Leihgaben und Werken aus den eigenen Beständen. Bis zum März war im Rahmen des Bauhaus-Jubiläums eine Schau mit Werken des Bauhäuslers Theodor Lux Feininger zu sehen, des jüngsten Sohns von Lyonel Feininger, der zur NS-Zeit in die USA auswanderte. Jetzt feiert Lehr selber Jubiläum – und beweist, dass man auch mit dem Fokus auf Qualität statt nur auf gängige Namen Erfolg haben kann.

Kunsthandel Lehr, Sybelstr. 68. Vorbesichtigung bis 2. Mai, täglich 12–19 Uhr, Auktion am 4. Mai im Hotel Bristol, Kurfürstendamm 27

Alexandra Ketterer

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