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Ort amerikanischer Schande. Häftlinge m Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay 2002.

© picture alliance / dpa / epa Shane T. McCoy

African Book Festival: Kurator im Zwielicht

Mit Mohamedou Ould Slahi Houbeini steht einer der bekanntesten Zeugen von Guantanamo im Kreuzfeuer der Kritik. Mit Vorwärtsverteidigung allein tun sich die Veranstalterinnen des Berliner Events keinen Gefallen.

Ein Kommentar von Gregor Dotzauer

Moralische Untadeligkeit ist ein hohes Gut – erst recht, wenn Symbolfiguren von ihr zehren. Insofern fällt etwas von dem Zwielicht, das Mohamedou Ould Slahi Houbeini, den Kurator des fünften Berliner African Book Festival umgibt, auch auf die drei Tage Ende August. Was für die Veranstalterinnen vom Verein InterKontinental von vornherein ein Risiko war, ist für Kritiker ein Skandal.

Wie, fragte in der „FAS“ die Schriftstellerin Ronya Othmann, die als Tochter eines kurdisch-jesidischen Vaters der genozidalen Gewalt des Islamischen Staats auch literarisch nachspürt, „könnte man den Opfern des Islamismus eigentlich noch offener ins Gesicht spucken“? In ihrer Polemik erinnert sie daran, dass der gebürtige Mauretanier, der in Deutschland Elektrotechnik studierte, seine Ausbildung Anfang der 1990er Jahre unterbrach, um sich in einem afghanischen Al-Qaida-Camp militärisch ausbilden zu lassen. Als Teil des radikalen Haqquani-Netzwerks soll er die Taliban bei mehreren Einsätzen unterstützt haben.
 

Slahi Houbeini ist allerdings nicht nur ein Al-Qaida-Kämpfer, der sich vom Terror losgesagt hat, auch wenn er den Abschied wohl später vollzog, als er behauptet. Er ist neben Murnat Kurnaz der bekannteste Zeuge des bis heute bestehenden US-Gefangenenlagers auf Kuba. Sein „Guantanamo Tagebuch“ (Tropen Verlag) berichtet von einer 14 Jahre währenden Hölle außerhalb aller Rechtssysteme, die fiktionalisiert in den Kinothriller „Der Mauretanier“ (2021) Eingang fand.

Einen Eindruck von der starken Persönlichkeit dieses zum Lifecoach und Schriftsteller gewandelten, juristisch nach wie vor unbescholtenen Mannes, vermittelt die noch in der ARD-Mediathek verfügbare Dokumentation „Slahi und seine Folterer“. In Parallelmontage verbindet sie sein Schicksal mit dem seines amerikanischen Peinigers „Mr X“.

Frühe Verfehlung und nachfolgendes Leid lassen sich hier so wenig gegeneinander aufrechnen wie in anderen Fällen. Der Umgang mit den weit ins Politisch-Historische reichenden Ambivalenzen dieses Falles drohen aber wieder einmal in blinder Schuldzuweisung und leichtfertiger Vorwärtsverteidigung zu ersticken.

Während die Boulevardpresse Dschihadisten mit öffentlichen Geldern gefördert sieht, beharrt Stefanie Hirsbrunner von Interkontinental auf Teenagersünden. In einer Pressemitteilung heißt es: „Ich kann beruhigen, eine Documenta wird sich hier nicht wiederholen.“ Wenn es dem African Book Festival nicht gelingt, den Streit um Slahi Houbeini ins Programm zu integrieren, könnte ihr ebendieses Schicksal blühen.

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