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Kultur: Alles auf Anfang

Die Betreiber des Balázs-Kinos übernehmen das Berliner Filmkunsthaus Babylon – und versprechen ein Kino für viele

Für Schlammschlachtenbummler gab es gestern Mittag im Amtszimmer des Kultursenators wenig zu jubeln. Denn die Phalanx jener Kinobetreiber, die tagelang die Redaktionen mit scharfen Statements bombardiert hatte, neueste Ost-Buddy-Personalien des PDS-Mannes Flierl insinuierend, verhielt sich auffällig still. Sie übte zwar protokollarische Kritik an Verfahrensfragen zur Vergabe des Filmkunsthauses Babylon an einen neuen Betreiber, wiederholte aber nicht öffentlich und live den Vorwurf, der schließlich obsiegende Timothy Grossman vom Balázs-Kino sei im Wege einer Günstlingsbeziehung ans Babylon gekommen. So blieb es Thomas Flierl selbst vorbehalten, am Ende einer langen, von mancherlei Misstrauen geprägten Pressekonferenz darauf hinzuweisen, er habe „Timothy Grossman im Übrigen erst heute persönlich kennen gelernt“. Und wünsche ihm und seinem Partner Tobias Hackel an der neuen Wirkungsstätte „jede Unterstützung“.

Die werden die beiden auch nötig haben. Denn die bisherigen Betreiber des Programmkinos Balázs im Haus Ungarn und zweier Open-Air-Festivals stehen nicht nur unter verschärfter Beobachtung von über einem Dutzend qualifizierter Mitbewerber des monatelangen Verfahrens. Sie müssen auch ein für Berlin neuartiges Modell zum Erfolg führen, das in einem hart umkämpften Markt unmittelbar mit den Programmkinos konkurriert. Ihre „Neue Babylon Berlin GmbH“, die am 1. Mai nach zweimonatiger Schließungszeit das traditionsreiche Haus am Rosa-Luxemburg-Platz wieder eröffnet, wird nicht mehr nur städtisch gefördertes Kommunales Kino sein, mit feinen Reihen zur Filmhistorie, mit Filmkunstfestivals und so fort. Sondern auch ein klassisches Programmkino mit aktuellen, en suite gespielten Produktionen. Aus den erhofften Überschüssen, die das Programmkino künftig erwirtschaftet, soll nun auch das mit 320000 Euro zu dünn subventionierte Kommunale Kino gesunden.

Ein Mischkonzept also – auf womöglich juristisch wackeligem Boden, wenn man denn die beiden vom Profil her verschiedenen und auch strukturell mal unabhängigen, mal geförderten Programmsäulen voneinander trennen will. Schenkt man aber Christian Berg Glauben, dem Vorsitzenden der Findungskommission und späteren Mitglied einer kleineren „Task Force“ für die zweite Runde, hat es einen regelrechten „Erkenntnisschub“ gegeben, der zur neuen Lösung führte. Denn der langjährig subventionierte Babylon-Verein hatte das denkmalgeschützte Haus mit seinem Riesensaal (420 Plätze) und dem kleinen Zweitkino (80 Plätze) als reines Kommunales Kino nicht rentabel führen können. Auch kein anderes entsprechend pur filmkulturelles Konzept überzeugte – zumindest wirtschaftlich. Also wollte man neue Wege gehen.

Für die Idee, nun mindestens zu 51 Prozent Kommunales Kino und ansonsten Erstaufführungs-Programm zu machen, hatten offenbar Grossman und Hackel das überzeugendste Konzept. Hier nun fühlten sich die auch senatsseitig als hochqualifiziert gelobten Mitbewerber der zweiten Runde, Kinomacher um die Hackeschen Höfe und das Eiszeit, in der Zielgeraden aus der Bahn gestoßen. Einhellig sagten sie, mit ihnen sei irgendwann nicht mehr gesprochen worden. Während Berg darauf hinwies, die Zeit habe wegen der Schließung des Babylon bereits gedrängt, meinte Flierl kühl, das Babylon sei „im Rahmen eines qualitativ bewertenden Verfahrens der Fachverwaltung“ neu vergeben worden. Und da sei man, anders als bei einer Ausschreibung, auch nicht „zur Anhörung verpflichtet“. Womit das Wundenschlagen und Wundenlecken – zumindest für den Augenblick – zum Stillstand kam.

Fast vergaß man bei soviel Vergangenheitsbewältigungsversuchen, was denn nun das künftige Babylon ausmachen wird. Und da gab sich Timothy Grossman erst auch eher blumig, um nicht zu sagen: gemüsig. Denn er packte, zur Veranschaulichung seines Konzeptes, eine große Zwiebel aus einer Plastiktüte. „Wenn ich sie zerschnitten hätte...“ sagte er beziehungsreich – um sodann in allgemeiner Tränenlosigkeit ein vielschichtiges Programm gedanklich aufzupulen. Dazu gehören Lubitsch-Retros ebenso wie Stummfilm-Events, die Zusammenarbeit mit dem Babelsberger Filmorchester sowie US-Filmhochschulen, ein Osteuropa-Schwerpunkt und vielleicht gar mal, als special guest, Quentin Tarantino.

Am wichtigsten wohl: Ein Kino für ein großes Publikum soll das neue Babylon werden – schließlich sei der 1929 eröffnete Poelzig-Bau, der auch heute noch über eine Kino-Orgel und einen Orchestergraben verfügt, ein „steingewordenes Versprechen für 500 Zuschauer“, sagte Grossman. Ein allseits offenes, attraktives Kino wollen die Macher – und, da mögen manch echte Träne und reichlich Krokodilstränen noch so darüber hinwegtäuschen: Genau daran hatte es dem Babylon zuletzt gefehlt.

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