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Kultur: Alles fließt in der Kunst, in der Politik und in der Pathologie

Die Eintrittskarte kann man sich sparen, zumindest donnerstags. Dann stehen vor den Frankfurter Museum für Angewandte Kunst (mak) und der Schirn Kunsthalle Busse des Roten Kreuzes.

Die Eintrittskarte kann man sich sparen, zumindest donnerstags. Dann stehen vor den Frankfurter Museum für Angewandte Kunst (mak) und der Schirn Kunsthalle Busse des Roten Kreuzes. Eine Blutspende genügt - und schon ist der Eintritt in die große kulturhistorische Schau kostenlos.

Blut ist ein ausdrucksstarkes Symbol - von magischen Riten über das Christentum bis zur Genforschung. Die Ausstellung will in Sachen "Kunst, Macht, Politik und Pathologie" die "emotionale, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Bedeutung des Blutes" untersuchen. Rund 160 Schaustücke illustrieren den Begriff, den sich die Menschen quer durch zwei Jahrtausende vom Blut machten, konzentriert auf die westliche Tradition.

Die Schau beginnt mit "Blut und Opferung", am Beispiel der blutbesessenen Maya im alten Mittelamerika. Zwei goldene Scheiben illustrieren, wie die Maya das Herz eines Gefangenen bei lebendigem Leib herausschnitten. Die Opfer waren Zeichen der Erneuerung des Lebens und sollten für gute Ernten sorgen. Um diese Stücke herum sind antike Zeugnisse gruppiert, die sich mit Blut befassen. Angeregt von Hippokrates beschäftigte sich der griechische Arzt Galenos im 2. Jahrhundert mit den vier Körpersäften und Temperamenten. Auch der Aderlass kam damals auf und wurde bis ins 19. Jahrhundert praktiziert, wie die Schau an vielen auch künstlerisch gestalteten Instrumenten belegt. Sogar lebende Blutegel beherbergt das mak in einem Glaszylinder. Die finden sich im obersten Geschoss, wo der Besucher selbst seinen Puls messen, den Herzschlag hören und Blut unter dem Mikroskop betrachten kann.

Eine Etage tiefer geht es um das Erlöserblut oder den Kreuzestod Jesu. Der Barockmeister Gianlorenzo Bernini zeichnete eine "Allegorie des Blutes Christi", in der Engel das Blut des Gekreuzigten auffangen. Mit der Entdeckung des Blutkreislaufs 1628 wurden Herz und Blut populär. So wird bei Juan Correas "Allegorie der Eucharistie" von 1690 der Körper Christi von einem Weinstock durchbohrt - ein Hinweis auf die Verwandlung des Blutes in Wein.

Der wichtigste Schlüssel zur weltlichen Macht aber waren die Blutsbande, ein in beiden Häusern behandeltes Thema. Alle Herrscher sicherten oder dehnten ihre Macht durch Verheiratung im Dunstkreis der Familie aus - im mak wird das an Habsburger-Porträts illustriert, in der Schirn am russischen Geschlecht der Romanows. Die Habsburger hatten fast alle ein ausgeprägtes Kinn und einen Hang zur Melancholie, die Romanows vererbten die Bluterkrankheit. Zar Nikolaus II. tritt zwar in Ilja Repins drei Meter hohem Porträt von 1896 als gewaltiger Herrscher auf, sein Sohn Alexej aber bewegte sich nur auf einem Dreirad fort. Der Sturz von einem Fahrrad wäre für den bluterkranken Knaben lebensbedrohlich gewesen.

Blutmotive wurden ab dem 19. Jahrhundert verstärkt aufgegriffen, wie die Schirn am Beispiel der Salomé zeigt, die sich den Kopf Johannes des Täufers wünschte. Lovis Corinth malte 1900 die Tochter des Herodes als femme fatale, als verdorbene Verführerin. Den damals wachsenden Antisemitismus waren auch viele orientalisch ornamentierte Bilder von lasziven Frauen ausgesetzt, die man oft als "jüdisch" bezeichnete. Der monatliche Blutverlust der Frau wirke sich auch auf den Charakter aus, hieß es allgemein. Der Sozial-Darwinismus und die Eugenik wurden später von den Nazis grausam gegen die Juden angewandt.

Der Kunst des 20. Jahrhunderts ist das Schirn-Kapitel "Blut und Pathologie" gewidmet. Künstler gestalten nun keine Opfer mehr, sie setzen ihre eigenen Körper ein. Etwa Marina Abramovic, die sich 1975 einen Davidstern in den Bauch ritzte und nackt auf eine Eisfläche legte, bis sie von Zuschauern gerettet wurde. Auch die Werbung arbeitet mit dem Symbol Blut, so Oliviero Toscani mit seinen Aufnahmen für die Firma Benetton. Mit der blutbefleckten Uniform eines kroatischen Soldaten oder einem sterbenden Aids-Patienten steht Toscani zwar in der Tradition der Renaissance-Ikonografie, aber setzt - moralisch höchst umstritten - Blutvergießen und Krieg für kommerzielle Interessen ein.

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