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Kultur: Alles so schön heroisch hier

Italien streitet um die Restaurierung der Mussolini-Stadt Sabaudia

Nach Sabaudia verirren sich nicht viele Touristen. Bis auf einige wenige Architekturfreaks macht sich niemand von Rom aus auf die Reise in die Kleinstadt, die in den 30er Jahren auf Wunsch von Diktator Benito Mussolini errichtet wurde. Schade, dachte sich Bürgermeister Salvatore Schintu, und kam auf eine gloriose Idee. Eine naheliegende Idee. Nicht nur weil Schintu einst glühender Neofaschist war und auch noch heute, als geläuteter Rechter und Mitglied der demokratischen Partei Alleanza Nazionale AN in manchen Momenten den guten alten Zeiten nachtrauert. Auch die Tatsache, dass Sabaudia von Kunstexperten als Beispiel der so genannten „rationalen Architektur“ Italiens gewürdigt wird, soll genutzt werden.

So wurde entschieden, dass das größte Reliefbild Sabaudias von den Zeichen der Zeit befreit wird. Es handelt sich um eine heroische Darstellung von Kriegern mit Liktorenbündeln, den traditionellen Machtsymbolen der Faschisten. Das Werk trägt den bezeichnenden Titel „Der Sieg marschiert“ und stammt von Francesco Nagni aus dem Jahr 1934. Gleichzeitig verkündete der Bürgermeister, dass er alle faschistischen Gebäude von besonderer Bedeutung restaurieren will. Ziel der Säuberungsaktion sei es, so Schintu, Touristen vorzuführen, wie schön man unter Mussolini baute.

Der Sturm der Entrüstung ist groß, vor allem unter den Linken aber auch unter Kunstexperten, die meinen, dass man lieber Bauwerke aus früheren Jahrhunderten vor dem Verfall retten sollte. Für Aufregung sorgt auch die Tatsache, dass das Kulturministerium in Rom Gelder für die Restaurierung von Sabaudia locker machen will. Die oppositionellen Linksdemokraten sind entsetzt. Sie fordern eine parlamentarische Debatte über die Restaurierung der Mussolini-Stadt und sprechen, wie Ex-Kulturministerin Giovanna Melandri, von „Architektur-Revisionismus“. Ein Revisionismus, der in Italien in Mode zu sein scheint. In immer mehr Opernhäusern werden Werke aus faschistischer Zeit aufgeführt. In Bozen wird ein faschistischer Triumphbogen restauriert. Immer öfter würdigen Ausstellungen Maler und Bildhauer des Regimes. Die Entscheidung des Bürgermeisters von Sabaudia liegt also voll im Trend. Die neue Auseinandersetzung mit der Architektur jener Zeit könnte aber auch Vorurteile aus der Welt schaffen. Mussolini baute nicht wie sein Kollege Hitler. Italiens faschistische Architektur ließ sich vom Bauhaus inspirieren. Sabaudia ist das beste Beispiel dafür.

Thomas Migge

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