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Kultur: Altes Stadthaus: Fortuna fehlt noch

Das Alte Stadthaus, eines der auffälligsten Bauwerke in der Mitte Berlins, bekommt seine alte Gestalt zurück. Anstelle des flachen Notdachs aus der Nachkriegszeit krönt bereits wieder ein mächtiges Mansarddach den Sitz der Innenverwaltung, dem Roten Rathaus gegenüber.

Das Alte Stadthaus, eines der auffälligsten Bauwerke in der Mitte Berlins, bekommt seine alte Gestalt zurück. Anstelle des flachen Notdachs aus der Nachkriegszeit krönt bereits wieder ein mächtiges Mansarddach den Sitz der Innenverwaltung, dem Roten Rathaus gegenüber. Der 80 Meter hohe Turm ist eingerüstet. Hinter den Plastikplanen sind Bauleute und Restauratoren dabei, die Fassade auszubessern. Statt der 18 Meter hohen Stange, an der von 1951 bis 1990 die DDR-Fahne flatterte, kehrt eine Fortunafigur auf die Kuppel zurück, spendiert vom Unternehmer Peter Dussmann. Letztmalig bezeugt ist die Existenz dieser Kupfertreibarbeit für das Jahr 1962. Danach verliert sich ihre Spur. Da die über 3 Meter hohe Glücksgöttin des Bildhauers Ignatius Taschner verloren ist, muss sie von einem zeitgenössischen Künstler nachempfunden werden, vergleichbar der Fortuna auf dem Charlottenburger Schloss.

Die Göttin soll bis Ende Oktober 2002 auf die Kuppel gehievt werden, wenn die einhundertjährige Wiederkehr der Grundsteinlegung des Stadthauses gefeiert wird. Bis dahin will die Innenverwaltung auch 22 Figuren auf den Turmkranz und die Attika stellen. Die überlebensgroßen Plastiken waren 1976, als das Stadthaus Sitz des DDR-Ministerpräsidenten war, wegen ihres schlechten Zustandes abgebaut worden.

Für die stadträumliche Wirkung des Turms sei die Wiederherstellung des Figurenschmucks, ergänzt durch acht Vasen, von herausragender Bedeutung, sagt Peter Fleischmann, der in der Innenverwaltung für die Arbeiten am Stadthaus zuständig ist. Der marode Zustand der aus empfindlichem Muschelkalk gemeißelten Allegorien von griechischen Göttern und den Helden von Troja lasse es nicht zu, dass sie wieder auf die alten Podeste gestellt werden. "Da die Originale aus witterungsanfälligem Material bestehen, müssen Kopien angefertigt werden", sagt Fleischmann. "Was am Ende aufgestellt wird, ist noch nicht entschieden. Auf jeden Fall aber wird die Wirkung hervorragend sein."

Das 1902 bis 1911 nach Plänen des Berliner Stadtbaumeisters Ludwig Hoffmann zwischen Jüdenstraße, Parochial-, Kloster- und Stralauer Straße errichtete Alte Stadthaus diente der Berliner Verwaltung als Bürogebäude und war mit repräsentativen Festsälen ausgestattet. Hoffmann hat sich beim Entwurf von den spätfriderizianischen Türmen des Deutschen und Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt inspirieren lassen.

Prunkstücke des Hauses sind die zentral gelegene Große Festhalle - sie ist besser bekannt als Bärensaal - sowie die beiden Vestibüle an der Jüdenstraße und an der Klosterstraße, deren Wände aus dem gleichen Material wie die Außenfassade bestehen, so dass sie auch wie Außenwände im Inneren wirken. In der DDR wurde der Bärensaal in einen containerförmigen Versammlungsraum des Ministerrates umgewandelt. Die edel dekorierten Wände und Decken verschwanden hinter Verkleidungen und Einbauten. Vollends verloren gingen die prunkvollen Kandelaber, bronzene Portalgitter und der Marmorfußboden, während ein vom Bildhauer Georg Wrba geschaffener Bronzebär 1959 in den Tierpark Friedrichsfelde abgeschoben wurde.

Nach Beseitigung dieser Einbauten und der Entfernung von Eisenträgern, Pappen und Spanplatten bei der Generalsanierung durch den Architekten Gerhard Spangenberg zeigte sich, dass die Gesimse und der plastische Schmuck zwar beschädigt, aber nicht beseitigt sind. Sie passten nicht ins ideologische Konzept der DDR-Mächtigen und standen den Einbauten im Wege. Bei der Sanierung sichtbar wurden auch die aus dem Alten Testament entnommenen Sprüche auf den Wandreliefs, mit denen "die in diesem Hause Verkehrenden zur Nachachtung" gemahnt werden sollten, wie es Ludwig Hoffmann ausdrückte.

Da zum Glück mehr versteckt als vernichtet wurde, können Besucher heute nach der Entfernung der Zwischendecke und der Wandverkleidungen wieder die ursprüngliche Feierlichkeit der Räume erleben und sich in die seinerzeit verbretterten Spruchweisheiten vertiefen. "Mancher ist arm bei großem Gut, und mancher ist reich bei seiner Armut", ist da zu lesen, oder auch: "Es ist besser ein Gericht Kraut mit Liebe, denn ein gemästeter Ochse mit Haß." Drei Reliefs fielen der Veränderungswut in der frühen DDR zum Opfer. Sie sollen demnächst wieder hergestellt werden. So wird der Besucher bald an die Erkenntnis erinnert werden: "Eine gelinde Antwort stillet den Zorn, aber ein hart Wort richtet Grimm an."

Das Ergebnis der Restaurierung der Innenräume ist - im Hoffmannschen Sinne der "Nachachtung" - gelungen. Die Originalsubstanz ist mit ihren Verletzungen erhalten, die Spuren der Geschichte bleiben sichtbar. Geblieben sind die Löcher für die Träger der ehemaligen Zwischendecke, und auch die demolierten Köpfe über einzelnen Türen, denen man die Gesichter abgeschlagen hatte, um Wandverkleidungen anbringen zu können.

Wenn Mitte Mai der Bronzebär aus dem Tierpark wieder an seinen ursprünglichen Platz an einer Schmalseite des Bärensaals zurückgekehrt ist, wird der ursprüngliche Raumeindruck nicht ganz erreicht sein. Als Missgriff sehen es Besucher, Denkmalpfleger und Mitarbeiter der Innenverwaltung an, dass sich das mächtige Deckengewölbe unverputzt, mit roten Ziegelsteinen zeigt. Obwohl der Architekt Reste des alten Putzes und sogar von Rosetten gefunden hat, hat er diese in ihrer Roheit erdrückende Form zunächst durchgesetzt. Eine Korrektur durch Neuputz wäre wünschenswert - und möglich. Dann würde der Saal wieder wie zu Hoffmanns Zeiten leuchten.

Helmut Caspar

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