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Kultur: Am Ufer des Atlantiks

Die American Academy in Berlin schlägt seit fünf Jahren geistige Brücken

So geht es jetzt seit fünf Jahren: Gary Smith, der Direktor, tritt ans leicht erhöhte Mikrofon in der Eingangshalle der American Academy am Wannsee. Segelboote in seinem Rücken, links der abgedeckte Flügel, Ruhe kehrt ein. Smith spricht Begrüßendes, zitiert lächelnd Walter Benjamin, dann kommen Otto Schily oder Dan Coats, der amerikanische Botschafter, und schließlich die Stipendiaten: Kafka in Berlin suchen, einen Trickfilm drehen, so beschreiben sie ihre Vorhaben, oder sie planen ganz akademisch offen: „Andere Freiheit: Cross-kulturelle Annäherung an ein Konzept“. Berühmt wie die Schriftsteller Arthur Miller, der erste Ehren-Fellow, oder Jeffrey Eugenides sind in Deutschland nur wenige; die anderen, wie die Literaturwissenschaftlerin Svetlana Boym aus Harvard, die sich in diesem Herbst an die „andere Freiheit“ macht, sollen wir kennen lernen.

Vor wenigen Wochen stellte die American Academy wieder ihre neuesten Fellows vor, und niemand, der diesem Ritual beiwohnte, wäre auf die Idee gekommen, dass die American Academy erst seit fünf Jahren in der prächtigen Villa am Wannsee existiert.

Die Gründung, hinter der vor allem der ehemalige Botschafter der USA in Deutschland, Richard Holbrooke, stand, war gleichwohl verwegen. Eine „intellektuelle Luftbrücke“ sollte sie sein, kein weiteres Amerika-Haus, wo der Berliner Fan „Sports Illustrated“ lesen kann. Wer Englisch nicht versteht, ist auch bei den öffentlichen Veranstaltungen fehl am Platz. Elitär, intellektuell anspruchsvoll, das ist die Academy. Nicht nur die holzgetäfelte Bibliothek verbreitet die Atmosphäre eines feinen Clubs, auch die vorzügliche Küche.

Es ist bei einem solchen Unternehmen, dessen Lebensdauer in Berlin gerade erst bis 2050 verlängert wurde, verfrüht, nach fünf Jahren bereits die volle Reife feststellen zu wollen. Allein die Tatsache, dass diese ausschließlich von amerikanischen und deutschen Unternehmen und von privaten Spenden finanzierte Institution immer wieder ihre Hauptaufgabe erfüllt und den amerikanischen Stipendiaten ein Forschungsjahr in Berlin ermöglicht, ist in diesen armen Zeiten schon ein Wunder.

Die gesamte transatlantische Elite hatte sich von Holbrooke für die American Academy einnehmen lassen, und noch heute sind die Kissingers, Weizsäckers, die Sterns und Kornblums ihre Verbündeten. Die Amerikaner, das war schon 1994 die Gründungsidee angesichts der abziehenden US-Soldaten, sollten Berlin nicht ganz verlassen. Und deshalb stellte die Stadt die Villa am Wannsee, das ehemalige Yachthaus der Amerikaner, und die früheren Eigentümer, die Familien Kellen und Arnhold, gaben eine Gründungsspende. Unter der umsichtigen Ägide von Gary Smith, der über Benjamin promovierte und in Potsdam das Einstein-Forum leitete, ist so eine feine Außenstelle für Amerikas Intelligenzia entstanden. Wer über den Atlantik dorthin kommt, das ist die größte Leistung der Academy, kehrt zumeist begeistert zurück.

Bei dem Festakt vor fünf Jahren hatte der damalige Kulturstaatsminister Michael Naumann vor einem stillen Wiedererstarken des Antiamerikanismus gewarnt. Selbst in der stark vom liberalen Geist der amerikanischen Ostküste geprägten Academy waren im vergangenen Herbst Irritationen über den deutschen Weg zu spüren. Auch wenn das Tagesgeschäft der Academy nicht die Politik ist, wie etwa beim Aspen-Institut, der Weg nach Wannsee schien ein wenig weiter geworden, und die Vorhaben der Fellows wirkten manchmal besonders akademisch. Das ist der Stand nach fünf Jahren, ein Zwischenstand auch der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Und dennoch: Das Ritual wird sich fortsetzen, und mit jedem Fellow-Jahrgang bauen sich neue Brücken des Geistes.

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