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Kultur: Annette Pehnt: Auf in den Supermarkt

Dorst ist ein unsicherer Kantonist. Ist er da, bricht er mit Sicherheit bald wieder auf, und hat er versprochen zu kommen, bleibt er höchstwahrscheinlich fern.

Dorst ist ein unsicherer Kantonist. Ist er da, bricht er mit Sicherheit bald wieder auf, und hat er versprochen zu kommen, bleibt er höchstwahrscheinlich fern. Wo Dorst ist, will er nicht sein. Wo er hin will, weiß er freilich auch nicht. Selbst Annette Pehnt scheint es nicht zu wissen, und darin besteht der beträchtliche Reiz ihres Prosadebüts "Ich muss los". Die 1967 geborene Autorin besieht sich ihren scheuen Helden wie aus der Ferne, die er beständig sucht. In einem spröden, oft seltsam einsilbig wirkenden Stil erzählt sie die Geschichte eines Jungen, dessen Vater stirbt, als er sieben Jahre alt ist. Für den neuen Freund der Mutter kann sich Dorst nicht erwärmen, ebensowenig fürs Geigespielen, für die Freundschaft mit Gregor oder gar für Mädchen.

Als sich der junge Mann, den die schwarzen Anzüge seines Vaters nicht sehr gut kleiden, endlich für eine junge, mütterliche Frau interessiert, liegt die Schule schon lange hinter ihm. Seine Mutter ist über die Normalität versprechende erste Freundin so froh, dass sie diese über sämtliche Seltsamkeiten des Sohnes erst einmal gründlich aufklärt. Was der Leser mit zunehmendem Genuss liest, hört Dorst mit zunehmender Angst. Zu Annette Pehnts Glanzstücken gehören die erfundenen Stadtführungen, mit deren Absonderlichkeiten Dorst die Liebe Elners gewinnt. Bald nachdem es ihm gelungen ist, muss er zwar wieder los. Doch diesmal weiß Dorst, wo er hin will: in den Supermarkt. "Ich muss los" ist ein kleiner, durch Geschlossenheit und sanfte Skurrilität überzeugender Bildungsroman. Ein Einkaufswagen, sanft in Elners Hüfte geschoben, zählt in ihm soviel wie tausend Worte.

Jörg Plath

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